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Gastkommentar Mit Kosmetik ist es nicht getan

Frauen können nur echte Gleichberechtigung erreichen, wenn alte patriarchalische Strukturen überwunden werden, argumentiert María Fernanda Espinosa.
12.03.2021 - 09:00 Uhr Kommentieren
María Fernanda Espinosa ist eine ecuadorianische Politikerin. Sie war Außenministerin und Vorsitzende der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Quelle: Reuters
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María Fernanda Espinosa ist eine ecuadorianische Politikerin. Sie war Außenministerin und Vorsitzende der Generalversammlung der Vereinten Nationen.

(Foto: Reuters)

Die Covid-19-Pandemie fördert und verschärft weltweit soziale Ungleichheit. Sollten die führenden Politiker ihre Ankündigungen ernst meinen, den Menschen nach der globalen Gesundheitskrise bessere Zukunftsperspektiven zu eröffnen, müssen tradierte Strukturen überwunden werden – beispielsweise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.

Seit Ausbruch der Pandemie haben mehr Frauen als Männer ihre Arbeitsplätze verloren, weil Frauen in vielen der am stärksten betroffenen Branchen wie etwa Gastronomie und Einzelhandel überrepräsentiert sind. Außerdem gibt es keinen Zweifel, dass die Last der Hausarbeit, die ohnehin schon überwiegend Frauen trifft, während der Lockdowns noch drückender geworden ist.

Darüber hinaus sind Frauen in der Regel auch die Opfer häuslicher Gewalt, die Pandemie hat dieses Problem weiter verschärft. Es ist daher nicht überraschend, dass sich wissenschaftlichen Studien zufolge die psychische Gesundheit der Frauen im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert hat.
Allgemein hat die Pandemie weltweit auch die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Während viele Milliardäre 2020 ihren Reichtum mehren konnten, mussten insbesondere gering qualifizierte Arbeitskräfte spürbare Einkommensverluste hinnehmen. Verloren sie gar ihren Job, waren Kredite oft das letzte Mittel, um sich über Wasser zu halten. Dadurch wächst die Zahl der Menschen mit Überschuldung.

Insgesamt gibt es auf globaler Ebene mit Blick auf die Möglichkeiten, die Covid-19-Krise zu entschärfen, enorme Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Fortgeschrittene Volkswirtschaften mobilisierten im Durchschnitt 25 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts, um die Auswirkungen der Pandemie abzumildern.

In Entwicklungsländern liegt dieser Wert nur bei sieben Prozent, in den ärmsten Ländern sind es 1,5 Prozent. In reichen Staaten werden die Bevölkerungen auch sehr viel schneller durchgeimpft sein als in armen Staaten.

Bessere Zukunftsperspektiven für die Zeit nach Corona zu schaffen bedeutet, ein gerechteres Wirtschaftssystem zu schaffen. Schon 2013 sah US-Präsident Barack Obama dies als „entscheidende Herausforderung unserer Zeit“ an. Dabei kann es nicht nur darum gehen, den von der Globalisierung „Abgehängten“ beispielsweise bessere Bildungschancen zu ermöglichen. Es geht nicht um Kosmetik, sondern um strukturelle Änderungen.

Dass Frauen die Folgen der Pandemie besonders stark treffen, ist Ergebnis tief verwurzelter patriarchalischer Regeln und Normen, die tradierte Strukturen im Haushalt, am Arbeitsmarkt und am Arbeitsplatz fortschreiben. Die Strukturen führen dazu, dass Frauen zwar „einspringen“, wenn sich die Lage etwa in der Pflege oder bei der Kinderbetreuung verschlechtert.

Werden Arbeitsplätze aber wieder knapp, landen diese Frauen oft in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Auch wenn es einigen Frauen gelingt, die gläserne Decke zu durchbrechen – die Mehrheit von ihnen bleibt auf dem Boden und räumt die Scherben weg.

Die Kluft zwischen Arm und Reich verringern

Initiativen zur Stärkung von Frauen innerhalb des gegenwärtigen Systems – etwa durch Förderung weiblichen Unternehmertums und Sicherstellung gleicher Rechte – sind wichtig. Aber um in die Nähe von echter Gleichberechtigung zu kommen, müssen wir endlich die alten patriarchalischen Strukturen überwinden.
Traditionelle Strukturen zu überwinden ist auch erforderlich, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Die bisherigen Spielregeln tendieren dazu, die Position derjenigen zu stärken, die sich bereits an der Spitze der Entwicklungsleiter befinden; die weniger Begünstigten hingegen fallen durch den Rost.

Das heutige Regelwerk verschafft Gläubigern Vorteile gegenüber Schuldnern und heizt eher die Finanzspekulation an, als produktive Investitionen zu fördern. Geistige Eigentumsrechte und andere restriktive Geschäftspraktiken stärken die Marktmacht internationaler Konzerne.
Dieses Regelwerk ermöglicht es – trotz aller gegenteiligen Bestrebungen – Konzernen weiterhin, ihre Gewinne in Steuerparadiese zu transferieren, statt beispielsweise beschäftigungsfördernde Investitionen zu tätigen. Steuerparadiese und Steuerunterbietungswettkämpfe schwächen auch die Fähigkeit von Staaten, Marktversagen zu korrigieren und öffentliche Güter in ausreichendem Maß bereitzustellen.

Vertrauen in die Institutionen erodiert

Das alles fördert in Teilen der Bevölkerungen das Gefühl, „die da oben“ machten doch ohnehin, was sie wollten. Die Folge ist eine Erosion des öffentlichen Vertrauens in die Institutionen. Von Impfskepsis bis zur mangelnden internationalen Koordination – die Covid-19-Krise reflektiert diese Trends.
Unsere Welt präsentiert sich heute stärker vernetzt als je zuvor. Doch gleichzeitig schwinden in vielen Gesellschaften die Bindekräfte. Schon deshalb müssen wir die wirtschaftlichen Strukturen grundlegend verändern. Um es mit den Worten von Simone de Beauvoir zu formulieren: „Setzt nicht auf die Zukunft. Handelt jetzt, unverzüglich!“

Mehr: Der Equal Pay Day symbolisiert die Lohndiskriminierung von Frauen.

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