Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Gastkommentar Nord Stream 2 ist das schädlichste Einzelobjekt der europäischen Sicherheitspolitik

Die politischen Kosten des deutsch-amerikanischen Deals über Nord Stream 2 werden den wirtschaftlichen Nutzen bei Weitem übersteigen, meint Wolfgang Münchau.
30.07.2021 - 11:00 Uhr 9 Kommentare
Wolfgang Münchau ist Direktor von eurointelligence.com. Quelle: Klawe Rzeczy
Der Autor

Wolfgang Münchau ist Direktor von eurointelligence.com.

(Foto: Klawe Rzeczy )

Wäre Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits nach zwölf Jahren im Amt zurückgetreten, vor der Wahl im Jahr 2017, hätten sich die Menschen an sie für ihre mutige Entscheidung erinnert, 2015 die deutschen Grenzen für fast eine Million geflüchteter Menschen zu öffnen.

Was jetzt in Erinnerung bleiben wird, ist ihr letzter großer außenpolitischer Erfolg, wenn man es so nennen will: US-Präsident Joe Biden dazu zu bringen, der Fertigstellung der Nord-Stream-2-Pipeline zuzustimmen.

Die Pipeline, federführend von Ex-Kanzler Gerhard Schröder konzipiert, ist ein Symbol der russisch-deutschen Freundschaft. Sie ist aber auch ein Symbol der europäischen Teilung. Die baltischen Staaten und Polen, aber auch die Ukraine sehen in der Pipeline eine massive Verletzung ihrer eigenen Sicherheitsinteressen.

Die erste Konsequenz aus dem Deal wird eine strategische Allianz zwischen Polen und China sein. Die Annäherung hat bereits begonnen. China ist die einzige sicherheitspolitische Option, die Polen bleibt, da Russland und Deutschland eine politische Achse bilden, die Polen im Stich lässt – jetzt mit Unterstützung der USA.

Als reines Nebenprodukt ist jetzt jeder Versuch der EU, eine engere gemeinsame und äußere Sicherheitspolitik zu schmieden, zum Scheitern verurteilt. Die mittel- und osteuropäischen Länder wären verrückt, ihr außenpolitisches Veto aufzugeben. Es ist das einzige Machtinstrument, das sie noch haben. Wenn sie es täten, würden sie regelmäßig von einer von Deutschland organisierten Mehrheit überstimmt werden.

Nord Stream 2 ist aus europäischer Sicht ein Fehler

Die nächste polnische Parlamentswahl findet im Jahr 2023 statt, ein Moment der Wahrheit für Polen. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit hat immer von der antideutschen Paranoia profitiert.

Grafik

Für den polnischen Politiker und Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei (EVP), Donald Tusk, wird dies eine sehr schwierige Wahl. Für Polens zentristische Opposition ist Nord Stream 2 pures Gift, denn ihre pro-europäische Botschaft wird bei den polnischen Wählern nicht ankommen.

Aus europäischer Sicht ist diese Pipeline auf so vielen Ebenen ein Fehler. Biden wird es jetzt noch schwerer haben, seine noch ausstehenden diplomatischen Nominierungen
durch den Senat bestätigt zu bekommen, wo die Anhörungen durch den Republikaner Ted Cruz aufgehalten werden. Der Auslöser ist die Pipeline.

Die Pipeline macht Deutschland nicht nur abhängiger von Russland, sondern auch abhängiger von fossilen Brennstoffen. Hier wird der Kampf ansetzen. Die effektivste Maßnahme dagegen ist der Rechtsweg.

Die Ostseepipeline belastete lange Zeit das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA. Quelle: dpa
Nord Stream 2

Die Ostseepipeline belastete lange Zeit das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA.

(Foto: dpa)

Polen hat sich in einem Verfahren gegen die Opal-Pipeline durchgesetzt, die nun mit reduzierter Kapazität betrieben werden muss. In dieser Frage hat der Europäische Gerichtshof Polen gegenüber Deutschland recht gegeben.

Eine erfolgreiche Klage gegen Nord Stream 2 könnte die Pipeline unter die Schwelle der Rentabilität drücken. Eine weitere potenzielle Gefahr für die Pipeline-Fans sind die deutschen Grünen. Sollten sie in diesem Jahrzehnt an die Macht kommen, werden sie wahrscheinlich auf einem früheren Datum für den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung bestehen, als derzeit vorgesehen ist.

Schädlichstes Objekt der europäischen Sicherheitspolitik

Der Ausstieg aus der Kohle ist für 2038 vorgesehen. Das vorgesehene Ende der gasbasierten Stromerzeugung ist 2035. Sollte es den Grünen gelingen, die Investitionen in erneuerbare Energien zu beschleunigen und diese Ausstiegstermine um einige Jahre vorzuverlegen, wäre die Rentabilität des Gasprojekts infrage gestellt.

Auf lange Sicht wird Russlands übermäßige Abhängigkeit von Öl und Gas eine wirtschaftliche Katastrophe für das Land bedeuten. Anders als die Norweger hat die russische Regierung die Erlöse nicht investiert, sondern in den Taschen von Oligarchen versenkt, darunter Russlands Präsident Wladimir Putin selbst. Man könnte also argumentieren, dass Nord Stream 2 auch nicht im russischen Interesse ist.

Nord Stream 2 wird an irgendeinem Zeitpunkt scheitern. In der Zwischenzeit wird es das schädlichste Einzelobjekt der europäischen Sicherheitspolitik bleiben. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einmal Vorbehalte gegen die Pipeline geäußert, aber nie politisches Kapital in die Kampagne gegen die Pipeline gesteckt. Biden und sein außenpolitisches Team glauben – meiner Meinung nach zu Unrecht –, dass sie Deutschland in ihre China-Strategie einbinden können.

Sie werden feststellen, dass der Kandidat, der am ehesten die Nachfolge von Angela Merkel antreten wird, ein noch größerer Merkantilist ist als sie selbst. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet steht in der Tradition des deutschen Korporatismus. Es ist kein Zufall, dass Schröder ihn unterstützt. Er ist der Schröder der CDU.

Mein Rat an die polnische und die baltische Regierung ist, sich weiterhin mit allen rechtlichen und politischen Mitteln gegen die Pipeline zu wehren. Mein Rat an die Grünen in Deutschland ist, die Osteuropäer zu unterstützen. Es geht um die Zukunft einer EU-Außen- und -Sicherheitspolitik. In der jetzigen Form muss sie mindestens eine weitere Generation warten.

Der Autor ist Direktor von www.eurointelligence.com

Mehr: Mit dem Pipeline-Deal hinterlässt Merkel ein schwieriges Vermächtnis.

Startseite
Mehr zu: Gastkommentar - Nord Stream 2 ist das schädlichste Einzelobjekt der europäischen Sicherheitspolitik
9 Kommentare zu "Gastkommentar: Nord Stream 2 ist das schädlichste Einzelobjekt der europäischen Sicherheitspolitik"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Die Drogen, die Herr Münchau nimmt, möchte ich auch haben. Ansonsten hat er aber Recht, wenn er davon spricht: Wenn die Grünen …. Genau WENN, werden sie aber nicht. Und das ist auch gut so :-)

  • Bis auf links grün wollte wohl niemand die Migration von Millionen nach Deutschland in die Sozialsysteme.
    Russland war immer ein verlässlicher Partner bei der Lieferung von Gas, der Ölpreis ist auch nicht auf alle Zeiten festgeschrieben und unterliegt Angebot und Nachfrage. Mit der Grünen Energie werden wir dieses Land nicht als Industriestandort halten können und Atomstrom, der CO2 frei ist kaufen wir bei den Nachbarn und schalten unsere Meiler ab. Der Irrsinn hoch 3.

  • Angela Merkel ist nicht bekannt dafür, irgendwelche Partikulainteressen zu unterstützen, sondern strategische Projekte aus einer sehr langfristigen Perspektive zu beurteilen, weshalb sie sich auch so vehement, gegen alle Widerstände für Nordstream 2 eingesetzt hat. Denn am Ende geht es auch um die Energiesicherheit Deutschlands.
    1. Polen mit der Tendenz seiner Regierungen antideutsche Ressentiments zu bedienen ist ein unsicherer Kantonist. Durchaus denkbar den Gastransit nach Deutschland zu behindern, um eigene Interessen durchzusetzen.
    2. Auch der Gastransit durch die Ukraine ist zunehmend unsicher. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass beide Konfliktparteien den Gastransit als politischen Hebel einsetzen. Freilich wird die Position der Ukraine mit der Inbetriebnahme von Nordstream 2 weiterhin geschwächt. Aus deutscher Sicht offenbar das geringere Übel.
    3. Die Exportströme von LNG gehen zunehmend nach Asien, wo eine stark erhöhte Nachfrage höhere Preise zuläßt. Sich auf LNG zu verlassen, könnte ins Auge gehen.
    4. Setzt sich die fast hysterisch Klimapolitik Deutschlands und der EU in den nächsten Jahren fort, wird es für die Bevölkerung richtig teuer. Ob sie dann an den Wahlurnen immer noch diese Art von Klimapolitik unterstützt, werden die nächsten Jahre zeigen.
    Kurz, wir werden noch froh sein, wenigstens eine stabile Pipeline-Versorgung mit Erdgas aus Russland zu haben.

  • Aha, der Herr Münchau ein Rot-Rot.Grün Befürworter und Beschwörer der Fiskalunion. Wenn es darum geht Unsinn zu reden, ist M verläßlich in vorderster Reihe zu finden.

  • Es ist ein sehr eigentümlicher Kommentar des H. Münchau.
    Sollte mal wieder ein versteckter Lobbyist sein Unwesen treiben dürfen, oder?

  • Es ist nichts falsch daran unser Gas in Russland einzukaufen. Wir kaufen unser Öl ja auch sonstwo ein.
    Eine Pipeline für den Transport ist die billigste, effektivste und ökologischte Transportmöglichkeit die es dafür gibt.
    Jede Opposition gegen die Pipeline hat ihren Ursprung ausschließlich in nationalegoistischen wirtschaftlichen Gründen wie z.B. der Verlust von Transitgebühren oder Absatzverluste von eigenem Gas.
    Alle anderen Gründe sind vorgeschoben.

  • "...... hätten sich die Menschen an sie für ihre mutige Entscheidung erinnert, 2015 die deutschen Grenzen für fast eine Million geflüchteter Menschen zu öffnen" - glaube ich kaum. Wie bereits mehrfach statistisch belegt, führte diese Entscheidung zur "Migrationskrise", dem Austritt GB aus der EU und anderen, tagtäglich sichtbaren Ergebnissen.
    Wenn die Ukraine und Polen nicht irgendwelche Gebühren kassieren, wo soll denn da bitte ein Sicherheitsmako sein. Man kann nicht "der böse, böse Russe" schreiben, aber - sehr unkonsequenterweise - Milliarden von dem Bösling kassieren wollen. Und jetzt sind auch noch die Deutschen Schuld. Irgendwie nervt diese Heuchelei.

  • Kein Wort von veralteten Leitungen.
    Kein Wort vom abkassieren für Transporte wie im Mittelalter.
    Kein Wort über den dringenden Bedarf wenn nächstes Jahr die Niederlande aufhört Gas zu fördern
    Es ist lächerlich wenn man die erneuerbaren Energie benutzt, die nicht in der Lage sind, die benötigte Energerie zu erzeugen oder will man die Atomenergie(EU) als erneuerbar bezeichnen.
    Aber es ist ja toll wenn man aus Österreich grünen Strom einkauft und die Österreicher billigen Atomstrom beziehen.
    Ich glaube auch nicht dass eine Achse Polen-China entsteht da hier nur wirtschaftliche Interessen der Chinesen im Vordergrund stehen.

  • Hier werden gleich mehrere Punkte falsch dargestellt:
    - Deutschland, Europa und jedes Land braucht noch viele Jahre einen Energiemix, der Gas beinhalten muss.
    - Unsere Verdammung von Russland und die Embargen gegen dieses Land sind ein Schaden. Eine einseitige Abhängigkeit von USA, die nur ihr Flüssiggas verkaufen wollen, ist - wie Trump gezeigt hat - nur schädlich. China ist extrem wichtig für Deutschland, aber hat seine Schwachstellen. Deshalb muss in unser außenpolitisches Gefüge unbedingt Russland eingebaut werden.
    - Es geht nicht darum, Polen zu vergraulen. Im Gegenteil muss die EU gemeinsam mit allen osteurpäischen Staaten wieder eine gemeinsame konstruktive Russlandpolitik aufbauen.
    - Ein europäische Denkweise in Systemfeindschaften ist absoluter Anachronismus. Das ist das Niveau der Nationalstaaten vor dem 1. Weltkrieg. Entweder stehen wir zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung - die andere Denkweisen akzeptiert - oder wir lassen es.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%