Gastkommentar: Spielräume für eine Konsolidierung findet man, wenn man will

Es lässt sich nicht von der Hand weisen: Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Krise. In den Jahren 2023 und 2024 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt – mit einem ungünstigen Ausblick für das laufende Jahr 2025.
Im Quartalsverlauf lässt sich dabei eine Stagnation mit abwechselnd positiven und negativen Zuwachsraten erkennen. Begleitet wird diese Entwicklung von hohen und derzeit noch zu hohen Inflationsraten. Es bleibt der Befund einer Stagflation.
Dennoch ist die Beschränkung auf die konjunkturelle Sicht verfehlt. Denn diese vernachlässigt die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen sehen sich einem toxischen Gemisch überhöhter Kosten gegenüber: Arbeits- und Energiekosten sind zu hoch, die Unternehmensteuerbelastung nicht wettbewerbsfähig und die Überregulierung unerträglich.
Entlastungen müssen her
Unternehmen investieren deswegen kaum mehr in Deutschland; Erweiterungsinvestitionen deutscher Unternehmen finden vornehmlich im Ausland statt; Deutschland ist unattraktiv geworden für ausländische Direktinvestitionen. Noch schlimmer: Unternehmen bauen Anlagen hierzulande verstärkt ab und in Polen, China oder den USA auf.
Es liegt auf der Hand, was zu tun ist. In allen vier Kostenkategorien müssen Entlastungen her. Diese Entlastungen bedeuten nicht selten eine höhere Haushaltsbelastung.
Will der Bund bei den Energiekosten ansetzen, kann er die Abgaben – Stromsteuer oder Netzentgelte – reduzieren. Reduktionen der Körperschaftsteuer oder des Solidaritätszuschlags führen zu Einnahmeeinbußen, die sich erfahrungsgemäß nicht direkt und selbst mittelfristig nicht vollständig durch höheres Wirtschaftswachstum kompensieren lassen. Sogar im Bereich der Regulierungskosten können manche Einsparungen nur durch eine konsequente Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung erzielt werden – die Geld kostet.
Die Wahlprogramme der Parteien lassen offen, wie sie Maßnahmen gegenfinanzieren wollen, welche die öffentlichen Haushalte belasten. Während SPD und Grüne darauf bestehen, die Schuldenbremse zu lockern, um ihre Vorhaben durch höhere Schulden gegenzufinanzieren, betonen CDU/CSU und FDP den Erhalt der Schuldenbremse, bleiben jedoch die konkreten Einsparvorschläge im Haushalt schuldig.
Für Lockerungen der Schuldenbremse ist eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, für die man den politischen Gegner gewinnen muss – der dies ausschließt. Für Steuersenkungen braucht man den politischen Gegner ebenfalls – zumindest im Bundesrat. Höhere Schulden stellen insoweit nur eine vermeintliche Gegenfinanzierung dar.
Bei allen in der Auseinandersetzung mit diesen Programmen geführten Diskussionen ist zu hinterfragen, auf welcher staatlichen Ebene welche Mehrausgaben getätigt werden sollen und welche Mindereinnahmen anfallen. Dies gilt für staatliche Infrastrukturinvestitionen wie für Reduktionen in der Unternehmensteuerbelastung.
Hinzu kommt, dass unterschiedliche Vorhaben unterschiedliche Zeitlichkeiten haben. Ein Investitionsvolumen von 400 Milliarden Euro in zehn Jahren ist anders zu verstehen als eines, das ohne Zeitangabe gefordert wird; stufenweise Steuerentlastungen wirken anders als eine sofortige Reduktion des Körperschaft- und Gewerbesteuersatzes von 30 auf 25 Prozent.
Steuerentlastungen sind schwierig
Was trivial erscheint, sozusagen das tägliche Brot der Haushälter in Bund und Ländern ist, gerät in der öffentlichen Debatte seit Langem durcheinander. Dabei sind nicht einmal die Kapazitätsbeschränkungen der deutschen Wirtschaft angesprochen. Das Produktionspotenzial wächst nicht zuletzt deshalb in geringerem Maße, weil die Anzahl der Erwerbstätigen die Wachstumsmöglichkeiten beschränkt.
Hinzu treten die üblichen Hemmnisse: Auf der Ausgabenseite bei staatlichen Investitionen sind es regulatorische, auf der Einnahmeseite bei Steuersenkungen sind es die Länder. Die Investitionsmittel von Bund und Ländern fließen daher Jahr für Jahr unzureichend ab; Steuerentlastungen sind schwierig.





Das Wirtschaftswendepapier von Christian Lindner war für den Bundeshaushalt 2025 durchgerechnet. Manche Maßnahmen hätten einen einmaligen Gegenfinanzierungseffekt erzielt, während Entlastungsmaßnahmen jährlich oder sogar im Volumen ansteigend gewesen wären. Für die Folgejahre wären also weitere Anpassungen nötig gewesen.
Bei einem Bundeshaushalt, der von 2011 bis 2023 vornehmlich gesteigerte Dynamiken bei den Transfer- und Konsumausgaben auswies, finden sich in der Regel genügend Spielräume für eine Konsolidierung. Ähnliches gilt für die Landeshaushalte. Man findet sie, wenn man will.






