Gastkommentar Warum die EU den USA ein fairer Handelspartner ist

Audi-Fahrzeuge des Volkswagen Konzerns stehen im Hafen von Emden zur Verschiffung bereit.
Die Statistik belegt, die EU ist ein fairer Handelspartner. Trumps gegenteilige Behauptungen sind falsch. Diese Statistiken musste EU-Handelskommissar Phil Hogan bei seinen Treffen mit dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer anbringen.
Dass die EU fair ist, lässt sich an zwei relevanten Indikatoren festmachen: Erstens, die durchschnittlichen Zölle, die EU und USA auf Produkte des jeweils anderen erheben, unterscheiden sich kaum. Zweitens, die USA haben einen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber der EU, kein Defizit.
Zu Punkt 1: Präsident Trump bezeichnete mehrfach die Zölle der EU auf amerikanische Pkw in Höhe von 10 Prozent des Wertes als unfair. Er verwies darauf, dass umgekehrt die Zölle der USA auf europäische Pkw nur 2,5 Prozent betragen. Wenn Trump von „europäischen Zöllen auf amerikanische Pkw“ spricht, dann meint er eigentlich die Zölle, die die EU auf Pkw aus allen Mitgliedern der Welthandelsorganisation WTO erhebt, die kein gesondertes Freihandelsabkommen mit der EU haben.
Das nennt man Meistbegünstigungszoll. Amerikanische Pkw werden also genau gleich behandelt wie australische oder neuseeländische.
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Der Meistbegünstigungszoll der USA auf Trucks und Pick-ups (zum Beispiel aus Europa) beträgt 25 Prozent, der der EU 14 Prozent. Leider hat Angela Merkel keinen Twitter-Account, mit dem sie sofort mit diesem Faktum auf Tweets von Trump über den Pkw-Zoll der EU antwortet.
Ein Zollgesetzbuch besteht aber nicht nur aus Pkw-, Lkw- und Pick-Up-Zöllen. Es gibt tausende von Güter, die Unternehmen und Verbraucher kaufen. Dementsprechend gibt es tausende von unterschiedlich hohen Zollsätzen. Manche Zollsätze (zum Beispiel auf Produktionsmaschinen) sind relevanter als andere (zum Beispiel auf Perücken), weil der Gesamtwert aller in einem Jahr zwischen zwei Ländern gehandelten Produktionsanlagen höher liegt als der der gehandelten Toupets.
Ein Indikator, den Trump unerwähnt lässt
Die Welthandelsorganisation WTO hat deshalb einen Indikator entwickelt, um aussagekräftig zu messen, ob ein Land de facto ein Hochzollland ist: Der nach dem Handelsvolumen gewichtete Durchschnitt aller Meistbegünstigungszollsätze auf alle Industriegüter. Dieser Indikator wird jährlich im World Tariff Profiles Report der Welthandelsorganisation WTO veröffentlicht. Die aktuellste Ausgabe (2018) zeigt: Der nach dem Handelsvolumen gewichtete Durchschnitt aller Meistbegünstigungszollsätze auf alle Industriegüter, den die USA erheben, ist 2,3 Prozent. Der, den die EU erhebt, ist 2,8 Prozent.
Trump twittert absichtlich nicht über diesen Indikator, obwohl er der aussagekräftigste ist. Da der Unterschied nur 0,5 Prozentpunkten zwischen EU und USA beträgt, könnte Trump zu Hause mit diesen Fakten niemanden zu einem Handelskrieg aufstacheln.
Zu Punkt 2: Trump lamentierte wiederholt über das „Defizit“ der USA gegenüber der EU. Alle Zahlen, die nun folgen, stammen vom Bureau of Economic Analysis, das zum US-Handelsministerium gehört.
Was Trump meint, ist, dass der Wert aller physischen Güter (zum Beispiel VW Golf, Parfüm, Dünger), die die USA aus der EU importiert haben, im ersten Halbjahr 2019 um 84 Milliarden Dollar niedriger lag, als der Wert der physischen Güter (zum Beispiel Ford Mustang, Whiskey, Sojabohnen), die die USA gleichzeitig in die EU exportiert haben.
In den USA machten 2017 Dienstleistungen 80 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung aus, die Industrie (das heißt die Produktion von physischen Gütern) nur 15 Prozent. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Exportschlager der USA Dienstleistungen sind, wie zum Beispiel die von Google, Amazon, Facebook (einschließlich WhatsApp und Instagram) oder Goldman Sachs.
Im Dienstleistungshandel mit der EU wiesen die USA im ersten Halbjahr 2019 einen Überschuss in Höhe von 25 Milliarden Dollar auf.
Doch das ist noch nicht alles: Amerikanische Dienstleistungsunternehmen betreiben ihr Geschäft in Europa oft über Töchter in Irland oder den Niederlanden. Facebooks Gewinne in Europa tauchen deshalb nicht als Dienstleistungsexport der USA in die EU in der Statistik auf.
Die Gewinne fließen von Facebook Irland an Facebook USA – und zwar als sogenanntes Primäreinkommen. Der Überschuss der USA gegenüber der EU bei Primäreinkommen im ersten Halbjahr 2019 betrug 59 Milliarden Dollar.
Dazu kommen noch die Sekundäreinkommen. Darunter fallen zum Beispiel Überweisungen von in der EU lebenden US-Bürgern in die USA. Hier betrug der Überschuss der USA gegenüber der EU 1 Milliarde Dollar in diesem Zeitraum.
Die USA haben einen Leistungsbilanzüberschuss
Rechnet man Güterhandelsbilanz, Dienstleistungshandelsbilanz, Primäreinkommensbilanz und Sekundäreinkommensbilanz zusammen, dann erhält man die USA-EU-Leistungsbilanz.
Die Leistungsbilanz ist ein viel aussagekräftiger Indikator als die Güterhandelsbilanz allein. Die USA erzielten im ersten Halbjahr 2019 gegenüber der EU einen Leistungsbilanzüberschuss von 1 Milliarde Dollar. Im gesamten Jahr 2018 erwirtschafteten die USA sogar einen Leistungsbilanzüberschuss von 4 Mrd. Dollar gegenüber der EU.
Trump kommuniziert absichtlich nicht über den aussagekräftigsten Indikator – nämlich die Leistungsbilanz. Mit der Tatsache, dass die USA gegenüber der EU einen Leistungsbilanzüberschuss von 1 Milliarde im ersten Halbjahr 2019 aufweisen, könnte Trump den amerikanischen Wähler nicht für einen Handelskrieg einnehmen.
Auf diese Fakten zur tatsächlichen Zollhöhe und zur Leistungsbilanz müssen sich die EU und ihre Mitgliedstaaten in ihren Verhandlungen mit der US-Regierung, vor allem aber in ihrer Kommunikation mit dem amerikanischen Volk fokussieren. Dazu gehört auch, dass Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und Angela Merkel sofort zurücktwittern, wenn Trump durch selektive Darstellung der Pkw-Zölle oder der Güterhandelsbilanz gegen die EU hetzt.
Autor Gerald Ullrich ist FDP-Bundestagsabgeordneter. Als FDP-Obmann im Europaausschuss des Bundestages ist er für EU-Handelspolitik zuständig. Er sitzt außerdem im Wirtschaftsausschuss.
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