Gastkommentar Warum Eltern weiterhin in die gesetzliche Rente einzahlen sollten

Die Autoren sind Vorsitzende des Sozialbeirats der Bundesregierung.
Beim Bundesverfassungsgericht ist eine Beschwerde anhängig, die darauf abzielt, dass Kindererziehende von den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ganz befreit werden, da – so die Beschwerdeführer – Kindererziehende mit der Erziehung ihrer Kinder einen „generativen Beitrag“ geleistet hätten, der einem monetären Beitrag gleichwertig sei.
Selbst wenn man dem Argument des so verstandenen „generativen Beitrags“ grundsätzlich folgen würde, ist die von den Beschwerdeführern daraus gezogene Forderung nach einer Beitragsfreistellung in ihrer Radikalität schwer nachvollziehbar.
Denn wenn die damit verbundenen Beitragsausfälle dann von den übrigen Versicherten, nämlich den ohne Kinder in ihrem Haushalt lebenden, aufgefangen werden müssten, würde sich ihre Beitragsbelastung um mehr als die Hälfte erhöhen! Dies gilt zumindest dann, wenn die ehemals kindererziehenden Rentner weiter eine Rente wie gegenwärtig berechnet erhalten wollen.
Würden auch Eltern, deren Kinder schon erwachsen und aus dem Haus sind, keinen Beitrag zahlen, da sie ihren generativen Beitrag ja in der Logik der Beschwerdeführer erbracht haben, würde die Beitragsbelastung für die Kinderlosen noch deutlich stärker steigen.
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Trotzdem ist das Argument, ein „generativer Beitrag“ müsse auf der Beitragsseite der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden, damit nicht aus der Welt, denn es sind ja auch ökonomisch umsetzbare Varianten, das heißt eine „moderate“ Beitragsentlastung für Eltern, denkbar. Einen entsprechenden Vorschlag hatte zuletzt Ende 2018 Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ins Spiel gebracht.
Zwei wesentliche Aspekte werden aber bei der Forderung nach einer Beitragsentlastung Erziehender in der Rentenversicherung verkannt: Zum einen wird der „generative Beitrag“, den Eltern für den Fortbestand der Rentenversicherung leisten, bereits durch das heutige Rentenrecht im hohen Umfang berücksichtigt.
Zwar nicht durch die geforderte Beitragsentlastung von Eltern, aber – was für die Betroffenen gleichwertig ist – durch deutlich höhere Rentenleistungen. So werden heute durch die Erziehung eines Kindes genauso hohe Rentenanwartschaften erworben, wie sie ein Durchschnittsverdiener in drei Jahren erlangt.
Eltern werden bereits jetzt stark entlastet
Über die sogenannten Kinderberücksichtigungszeiten kann darüber hinaus die Erziehungsleistung von Eltern bis zum vollendeten 10. Lebensjahr eines Kindes berücksichtigt werden. Und auch bei der Höhe von Hinterbliebenenrenten wird die frühere Erziehung von Kindern durch Zuschläge rentensteigernd berücksichtigt.
Im Ergebnis wird damit eine hohe Entlastung von Eltern in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Die beachtlich hohe Bewertung des „generativen Beitrags“ wird daran deutlich, dass allein die Anrechnung von drei Jahren Kindererziehung einer Beitragszahlung von derzeit rund 23.000 Euro entspricht.
Berücksichtigt man zusätzlich die möglichen Rentenvorteile durch Kinderberücksichtigungszeiten und den kinderbezogenen Zuschlag bei der Hinterbliebenenrente, ergibt sich für Eltern sogar ein Beitragsvorteil von aktuell rund 53.000 Euro pro Kind.
Die finanzielle Entlastung von Eltern in der Rentenversicherung, die dadurch entsteht, dass sie für die Rentenansprüche, die sie durch die Erziehung ihrer Kindererziehung erwerben, keine Beiträge zahlen müssen (mindestens 100 Euro, maximal 246 Euro), hat damit eine mit dem Kindergeld vergleichbare Dimension.
Eine Idee mit merkwürdigen Folgen
Zum Zweiten hätte die Berücksichtigung des „generativen Beitrags“ auf der Beitragsseite die merkwürdige Folge, dass der Erziehung eines Kindes je nach den Lebensumständen der Eltern ein unterschiedlich hoher „generativer Beitrag“ zugesprochen würde. Eltern mit einem höheren beitragspflichtigen Einkommen würde ein höherer „generativer Beitrag“ zugemessen als Eltern mit geringem Einkommen.
Und eine kürzere Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung, zum Beispiel infolge von Erwerbsminderung, Arbeitslosigkeit oder des Wechsels zu einer berufsständischen Pflicht-Alterssicherung, würde den „generativen Beitrag“ abwerten.
Nun könnte man einwenden, dass es bei der sozialen Pflegeversicherung bereits eine Beitragsentlastung zugunsten von Eltern gibt, sodass eine Übertragung auf die Rentenversicherung nur konsequent wäre. Dieses Argument verkennt aber, dass in der Pflegeversicherung – anders als in der Rentenversicherung – eine Differenzierung der Leistungen je nach erbrachter Erziehungsleistung nicht sinnvoll möglich ist.
Bei der Pflegeversicherung kann ein „generativer Beitrag“ daher nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. In der gesetzlichen Rentenversicherung spricht hingegen alles dafür, erbrachte Erziehung weiter auf der Leistungsseite und damit durch höhere Renten systemadäquat, zielgenauer und damit sachgerecht anzuerkennen.
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