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GastkommentarWarum Habecks Vorschlag zu Kapitaleinkünften nicht überzeugt

Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitaleinkommen bringen keine nennenswerten Mehreinnahmen für die Krankenversicherung. Besser wäre eine Reform des Gesundheitssystems, meint Clemens Fuest. 17.01.2025 - 04:20 Uhr Artikel anhören
Der Autor Clemens Fuest ist Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München (Ifo-Institut). Foto: AFP

Robert Habeck hat vorgeschlagen, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung künftig nicht nur auf Lohneinkommen und Renten zu erheben, sondern auch auf Kapitaleinkünfte, also Zinsen und Dividenden, möglicherweise auch Einkünfte aus Vermietung.  Nun sind Vorschläge, die Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungen zu erweitern, nicht neu. Bisher sind sie aber nicht umgesetzt worden, und das hat gute Gründe.

Habeck hat noch keine Details seines Vorschlags genannt. Zunächst wäre zu klären, wessen Kapitaleinkünfte einbezogen werden sollen. Im einfachsten Fall würde man nur die gesetzlich Krankenversicherten einbeziehen.

Dabei wäre zu klären, ob die Beitragsbemessungsgrenze unverändert bleibt und eben künftig Kapitaleinkünfte einbezieht. Die Grenze liegt derzeit bei 66.150 Euro Jahreseinkommen.

Für Beitragszahler, deren Arbeitseinkommen diesen Betrag übersteigt, würde die Einbeziehung ihrer Kapitaleinkünfte nichts ändern, da sie bis zur Beitragsbemessungsgrenze ohnehin Sozialabgaben auf ihr Arbeitseinkommen zahlen. Höhere Beiträge würden nur für Versicherte mit geringeren Einkommen anfallen.

Man kann sich vorstellen, dass die Zinsen, Dividenden und Mieteinkünfte dieser Versicherten recht überschaubar sind. Eine Ifo-Studie aus dem Jahr 2023 zeigt, dass eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage um Kapitaleinkünfte bei konstanter Bemessungsgrenze das Beitragsaufkommen um 3,2 Prozent erhöhen würde - das entspricht 5,3 Milliarden Euro. Das würde die finanzielle Lage der Krankenkassen nur begrenzt verändern.

Freibeträge senken Mehreinnahmen

Dabei wird allerdings angenommen, dass die Kapitaleinkünfte voll beitragspflichtig sind. Robert Habeck will Kleinsparern jedoch einen „hohen“ Freibetrag gewähren.

Wenn der Freibetrag 1000 Euro pro Jahr beträgt und man überschlägig davon ausgeht, dass die Hälfte der 60 Millionen Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung den Freibetrag voll beansprucht, dann würden die Mehreinnahmen unter eine Milliarde Euro sinken. Sie würden also für die Krankenkassen kaum noch ins Gewicht fallen.

» Lesen Sie auch: Habecks neuester Plan kennt nur einen großen Verlierer

Die Versicherten, deren Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen, sind größtenteils genau die Menschen mit kleineren Kapitaleinkommen, die Robert Habeck nicht belasten möchte. Deshalb würde der Vorschlag weitgehend ins Leere laufen und außer einem erhöhten Verwaltungsaufwand wenig ändern.

Eine Variante der Reform könnte vorsehen, die Sozialabgaben auf die kompletten Kapitaleinkünfte zu erheben - also auch auf den Betrag, der über die Beitragsbemessungsgrenze hinausgeht -, um die Mehreinnahmen zu erhöhen.

Das könnte allerdings zu Schieflagen führen: Ein Versicherter, der 70.000 Euro allein mit Arbeitslohn verdient, würde durch die Bemessungsgrenze darauf weniger Abgaben zahlen als jemand, der nur 65.000 Euro Arbeitslohn und zusätzlich 5000 Euro an Kapitaleinkünften hat. Dass damit die Finanzierung der Krankenversicherung fairer wird, muss man bezweifeln.

Man könnte auch vorsehen, die Kapitaleinkünfte aller Steuerpflichtigen zur Finanzierung der Krankenversicherung heranzuziehen. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob die neuen Beitragszahler auch Ansprüche auf Leistungen haben. Das würde letztlich auf eine Ausweitung der Versicherungspflicht hinauslaufen, die viele andere Fragen aufwirft.

Steuerlast für Dividenden liegt bei 48,5 Prozent

Ohne Ausweitung der Leistungsberechtigten würde es sich um eine neue Steuer auf Kapitaleinkommen handeln, deren Aufkommen an die Krankenversicherung geht. Diese Variante passt zu Robert Habecks Argument, die ungleiche Abgabenbelastung von Kapital- und Arbeitseinkünften sei ungerecht.

Dabei wird aber vernachlässigt, dass man für den Krankenversicherungsbeitrag eine Gegenleistung in Form der Gesundheitsversorgung erhält. Bei Einkommensteuern gibt es keine an die Steuerzahlung gebundene Gegenleistung.

Außerdem werden als Dividenden ausgeschüttete Gewinne schon auf Unternehmensebene durch Körperschaftsteuer plus Gewerbesteuer mit rund 30 Prozent belastet. Nach Ausschüttung fallen beim Aktionär noch einmal 25 Prozent Kapitalertragsteuer plus Solidaritätszuschlag an. Die Gesamtbelastung liegt damit schon heute bei rund 48,5 Prozent und damit deutlich höher als die übliche Steuerbelastung von Arbeitseinkommen.

Durchaus kritikwürdig an der aktuellen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dass das System eine Vielzahl diffuser und unsystematischer Umverteilungseffekte unter den Versicherten verursacht. Das lässt sich aber nur durch grundlegende Systemänderungen korrigieren, nicht durch die Ausdehnung der Bemessungsgrundlage auf Kapitaleinkünfte.

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Letztlich kann die künftige Finanzierbarkeit der Gesundheitsversorgung allerdings nicht allein durch höhere Beiträge geleistet werden, wer immer sie finanziert. Gebraucht werden Reformen, die zu effizienterer Erstellung von Gesundheitsleistungen führen, beispielsweise durch die Konsolidierung von Krankenhäusern oder den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Der Autor: Clemens Fuest ist Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München (Ifo-Institut).

Mehr: Habeck verteidigt Vorschlag für Sozialbeiträge – CDU-Flügel hatte ähnliche Idee

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