Gastkommentar: Warum Preiskontrollen sinnvoll sein können

Isabella M. Weber ist Assistenzprofessorin für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts Amherst.
Als ich Ende 2021 im „Guardian“ in einem Gastkommentar übereilte Zinserhöhungen zur Inflationsbekämpfung kritisierte und an eine lange vernachlässigte Alternative erinnerte: strategisch eingesetzte, gezielte Preiskontrollen, wurde das als Ketzerei eingestuft.
Rechte und libertäre sozialen Medien waren außer sich, und selbst viele liberale und progressive Ökonomen fanden deutliche Worte, um meinen Beitrag zurückzuweisen. An der Universität von Chicago erhielten die Studenten eine Klausur mit der Frage, was ein „echter Ökonom“ zu Preiskontrollen sagen würde.
Für meine Kritiker war das Recht eines Unternehmens, jeden Preis festzusetzen, den der Markt hergibt, unantastbar. Wenn eine politische Reaktion gerechtfertigt war, dann waren das Zinserhöhungen, auch wenn diese letztlich kleine Unternehmen, Arbeitnehmer und verschuldete Haushalte erdrücken würden.
Doch historisch haben sich auf hochkonzentrierten Märkten wie dem Energiemarkt Preiskontrollen in der Regel bewährt. Allerdings nur, wenn sie eingeführt wurden, bevor die Inflation außer Kontrolle geriet. Wenn sie in demokratischen Gesellschaften durch eine Mobilisierung der Bevölkerung hinter einem gemeinsamen Projekt der Preisbegrenzung durchgeführt wurden, waren sie sehr populär.
In ganz Europa haben Regierungen Preiskontrollen beschlossen
Im Februar 2022 schlugen Sebastian Dullien und ich zur Preisdämpfung für den deutschen Gasmarkt eine fiskalisch finanzierte Preisobergrenze für den Grundkonsum der Haushalte vor, die die Lenkungswirkung des Marktpreises bewahren würde.
Dies führte zu einer weiteren Runde der Kritik von Wirtschaftswissenschaftlern. Doch als Mitglied einer deutschen Regierungskommission durfte ich später an der Entwicklung der sogenannten „Gaspreisbremse“ mitwirken.
In ganz Europa haben die Regierungen Formen der Preiskontrolle beschlossen. Die EU hat eine Obergrenze für Gaspreise eingeführt, die G7-Staaten eine Preisobergrenze für importiertes russisches Öl, und die US-Regierung hat den Ölpreis durch Freigabe von Vorräten aus ihrer strategischen Erdölreserve gedrückt.
Viele Ökonomen haben ihre Meinung revidiert. Paul Krugman, der mich zuvor in der „New York Times“ kritisiert hatte, schlug beispielsweise im Januar ebenfalls vor, auf Preisexplosionen mit Preispolitik zu reagieren.
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Sektorale Engpässe und Preisschocks in systemrelevanten Branchen, insbesondere Öl und Gas, haben eine große Rolle bei der heutigen Inflation gespielt. Als die Preise stiegen, stiegen auch viele Gewinne.
Das wirkte sich auf die gesamte Wirtschaft aus, da nachgelagerte Branchen versuchten, die höheren Kosten auszugleichen, und die Arbeitnehmer einen Ausgleich für ihre Lebenshaltungskosten forderten. Nun, da ein zuvor stabiles System instabil geworden ist, können höhere Zinssätze nur noch Öl ins Feuer gießen.
Nehmen wir die USA. Während der pandemiebedingten Lockdowns, als die Ölpreise einbrachen, schlossen die Produzenten ihre kostenintensivsten Erdölförderanlagen. Als sich die Nachfrage erholte, erkannten sie, dass sie die Kosten niedrig und die Preise hoch halten konnten, wenn sie die weniger produktiven Erdölförderanlagen geschlossen ließen. Die Benzinpreise stiegen massiv, und die Gewinne der fossilen Brennstoffindustrie brachen Rekorde.
Es hat sich ein Fenster für neues politisches Denken geöffnet
In einer solchen Situation können selektive Preiskontrollen die Produktion im Gegensatz zu dem, was in den Lehrbüchern steht, sogar ankurbeln. Solange die Preispolitik eine ausreichende Marge gewährleistet, werden die Produzenten feststellen, dass eine höhere Produktion der einzige Weg ist, einen höheren Gewinn zu erzielen.
Man könnte sich fragen, ob es überhaupt wünschenswert ist, die Preise für fossile Brennstoffe zu senken, da der Übergang zu erneuerbaren Energien beschleunigt werden muss. Doch glücklicherweise kann die Kombination einer Preisobergrenze mit einem ausreichend hohen Grenzpreis, wie es bei der deutschen Gaspreisbremse der Fall ist, sowohl Sparanreize erhalten als auch den Grundbedarf des Verbrauchs vor einem Preisschock schützen. Sie verhindert so die Art von explosivem Gewinnwachstum bei fossilen Brennstoffen, wie wir es im letzten Jahr erlebt haben.
Es hat sich ein Fenster für neues politisches Denken geöffnet; es kommt ein wenig frischer Wind herein. Ein neues Stabilisierungsparadigma ist auch dringend erforderlich.
Wir leben in einer Welt sich überschneidender Notlagen – Klimawandel, Pandemie, geopolitische Spannungen –, und weitere Schocks werden kommen. Die politischen Entscheidungsträger müssen darauf vorbereitet sein, zu reagieren, bevor Preisschocks erneut große soziale und wirtschaftliche Schäden hinterlassen.
Diese Bemühungen müssen sich auf die wichtigsten Branchen konzentrieren. Eine Input-Output-Analyse kann systemrelevante Preise identifizieren und so den politischen Entscheidungsträgern helfen, sich auf zukünftige Notfälle vorzubereiten.
Die Autorin:
Isabella M. Weber ist Assistenzprofessorin für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts Amherst.








