Gastkommentar: Was nötig ist, damit die Staatsreform für mehr Schwung sorgt

Deutschland braucht mehr als ein Update – es braucht eine grundlegende Reform des Staates. Ohne eine Staatsreform sind zentrale Aufgaben wie eine neue Industriepolitik oder eine schnelle Digitalisierung nicht lösbar.
Das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) unter der Leitung von Karsten Wildberger sollte diesen Neuanfang anstoßen – in den eigenen Reihen und landesweit.
Eine Staatsreform ist unsere demokratische Schicksalsaufgabe: Nur ein Staat, der Wirkung erzielt, erhält langfristig Legitimität. Damit das BMDS ein Erfolg wird, braucht es die nötigen Befugnisse.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Digitalisierung allein nicht ausreicht, den Staat wirksamer und damit besser zu machen. Zu viele Strukturprobleme behindern das Fortkommen – die reichen von überbordender Bürokratie bis zu veralteten Förder- und Vergabeprozessen. Die „Staatsmodernisierung“ muss mindestens die gleiche Priorität wie die „Digitalisierung“ bekommen.
Damit der neue Minister das über Jahrzehnte angewachsene und zersplitterte Aufgabengeflecht des Staates reformieren kann, sollten alle Kernaufgaben der Staatsmodernisierung bei ihm gebündelt werden.
Es ist deshalb gut und konsequent, dass sein Haus mit eigenen Haushalts- und Gesetzgebungskompetenzen ausgestattet wird sowie Veto- und damit Steuerungsmöglichkeiten gegenüber den anderen Ministerien bekommt.
Die Reform muss auch Chefsache im Kanzleramt sein
Eine neue Arbeitsweise und ein neues Selbstverständnis des Staats ist entscheidend, wenn wie im Koalitionsvertrag verankert der Staat wirklich „von den Bürgerinnen und Bürgern“ her gedacht werden soll. Das neue Ministerium muss selbst ein Vorzeigebeispiel werden, wie Verwaltung im 21. Jahrhundert funktioniert: mehr Eigenverantwortung, flachere Hierarchien, neue Personalwege und Karrieremöglichkeiten, eine andere Fehlerkultur, Teamstrukturen, klare Wirkungsziele.
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Aber eines ist auch klar: Das neue Ministerium allein kann keine Staatsreform schaffen. Wichtig ist der ressortübergreifende Wille, Staatsmodernisierung zu einer Gemeinschaftsaufgabe des gesamten Kabinetts zu machen. Nötig ist auch das Bekenntnis vom Bundeskanzler selbst, dass er es als seine Aufgabe sieht, diese grundlegende Veränderung von Verwaltung voranzutreiben.
Kanzler Merz sollte die Staatsreform alle drei Monate auf die Agenda der Kabinettssitzung setzen und sich über den Fortschritt der Modernisierung aus allen Ministerien berichten lassen.
Grundvoraussetzung ist eine neue Arbeitsweise innerhalb der Bundesregierung: Die operative Umsetzung muss in den Fokus rücken, das Silodenken endlich überwunden und das Ressortprinzip neu interpretiert werden. Gerade am Anfang wird es wichtig sein, den Mitarbeitenden im neuen Ministerium große Flexibilität einzuräumen.
Im Idealfall arbeiten Teammitglieder jeweils die Hälfte ihrer Zeit im Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung und die andere Hälfte in ihrem jeweiligen Fachressort. Denn eine Staatsreform wird nicht im Parallelbetrieb gelingen, es braucht die enge Verzahnung mit dem Fachgeschäft, und zwar über alle Ebenen hinweg.
Wer seine Reformziele erfüllt, bekommt mehr Geld
Zum Gelingen sind auch neue Finanzierungsmechanismen notwendig. Das BMDS ist nur dann handlungsfähig, wenn es ein eigenes Modernisierungs- und Digitalisierungsbudget bekommt. Ein Budget, das finanzielle Anreize setzt: Ministerien, die ihre Reformziele konsequent umsetzen, erhalten auch mehr Mittel.
Zusätzlich sollten die durch Modernisierung eingesparten Kosten dem jeweiligen Ressort als ungebundenes Budget für den nächsten Haushalt on top zur Verfügung gestellt werden. Damit würde jedes Ministerium, das bei der Modernisierung schnell vorankommt, unmittelbar mehr finanziellen Handlungsspielraum für eigene inhaltliche Themen erhalten. Staatsreform soll sich politisch lohnen!
All das erfordert eine Öffnung der Bundesregierung gegenüber Akteuren aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Es gibt genug Bereitschaft zur Unterstützung. Keine Regierung kann das allein schaffen.
Karsten Wildberger, der selbst gerade erst aus der Privatwirtschaft in den Staat gewechselt ist, muss Staatsmodernisierung zur Gemeinschaftsaufgabe erklären und Persönlichkeiten aus allen Sektoren einbeziehen.
Das erfordert auch den direkten Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Probleme, Verbesserungsvorschläge und Rückmeldungen schonungslos einbringen sollten.




Dieses ambitionierte Mammutprojekt bietet eine große Chance: Es kann zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist, Wandel gestalten und Vertrauen zurückgewinnen kann. Wenn es entschlossen und mutig umgesetzt wird, kann daraus ein echter Fortschritt für unsere Demokratie erwachsen.
Die Autoren:
Lutz Göbel ist Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrats.
Philipp von der Wippel ist Gründer der zivilgesellschaftlichen Organisation Project Together.





