Gastkommentar Was offline illegal ist, darf online nicht legal sein

Kristina Sinemus ist Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung in Hessen und war Professorin für Public Affairs an der Quadriga Hochschule Berlin. Axel Voss ist Mitglied des Europäischen Parlaments. Thematischer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Digitalpolitik.
Die Europäische Kommission stellt in Kürze ihre überarbeitete industriepolitische Strategie vor. Wieder steht Europa vor der Frage, ob wir mit gezielten industriepolitischen Maßnahmen europäische Champions schaffen können oder nicht. Derzeit spielt der „alte Kontinent“ bei digitalen Zukunftstechnologien und strategisch wichtigen Branchen im internationalen Vergleich nicht vorne mit. Das gilt insbesondere für die Plattformwirtschaft – in Europa sind gerade einmal zwölf der 100 größten Plattformen angesiedelt, in Amerika dagegen 41 und im asiatisch-pazifischen Raum 45.
Die Europäische Union muss also aufholen. Aber wie? Eine wichtige Erkenntnis ist, dass wir die richtigen, wettbewerbsfreundlichen Regeln brauchen. Maßgabe muss sein: keine Überregulierung! Daran arbeiten wir: Im vergangenen Dezember hat die Europäische Kommission zwei Vorschläge für Verordnungen vorgelegt, die das „too big to care“, also zu groß, um sich an europäische Regeln zu halten, beenden sollen: den Digital Services Act und den Digital Markets Act.
Sie werden nicht weniger als eine neue digitale Wirtschaftsordnung in der EU begründen. Der Digital Services Act stellt die Verantwortlichkeit von Plattformen wie sozialen Medien oder Online-Marktplätzen auf eine neue europäische Grundlage. Sie sollen künftig entschiedener gegen illegale Inhalte und Produkte vorgehen. Der Digital Markets Act verbietet bestimmte, den Wettbewerb schädigende Verhaltensweisen von Plattformen mit großer Marktmacht. Er ist die Antwort der Europäischen Union auf die zahlreichen aufsehenerregenden Wettbewerbsfälle gegen Google, Apple und andere Tech-Giganten der vergangenen Jahre.
Die damit verbundenen Herausforderungen sind komplex, und gerade Deutschland tut gut daran, sich aktiv in den Gesetzgebungsprozess auf europäischer Ebene einzubringen. Denn wir haben bereits im deutschen Recht nationale Vorgänger. So ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein Vorreiter für den Digital Services Act, und die jüngste Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nimmt wichtige Aspekte des Digital Markets Act vorweg.
Hinter diese Standards dürfen wir nicht zurückfallen. Sie sollten für alle europäischen Mitgliedstaaten gelten. Wir müssen die Soziale Marktwirtschaft in das digitale Zeitalter führen und Regeln schaffen, um der Macht der Tech-Giganten entgegenzutreten und im Wettbewerb wieder gleiche Bedingungen zu schaffen. Damit stärken wir das Start-up-Ökosystem in Europa und die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit unseres Kontinents. Gleichzeitig wollen wir europäische Werte in der Digitalisierung verankern.
Was offline illegal ist, darf online nicht legal sein. Dafür steht der Digital Services Act. Es ist höchste Zeit, dass die EU entschiedener gegen illegale Inhalte wie Hassreden vorgeht und die Verantwortlichkeit aller Plattformen in diesem Bereich klarer regelt – bei Wahrung der Meinungsfreiheit. Dazu gehören einheitliche Vorgaben für die Löschung illegaler Inhalte sowie effektive Beschwerde- und Meldemechanismen im Netz.
Der Digital Service Act ist nicht nur für Verbraucherinnen und Verbraucher von Bedeutung. Auch gewerbliche Kunden dürften profitieren: Die Regelung soll sehr großen Online-Plattformen Transparenzpflichten für die von ihnen verwendeten Empfehlungssysteme auferlegen. Wir wollen sicherstellen, dass digitale Plattformen offenlegen, wie und warum Inhalte angezeigt oder Produkte und Dienste dem Nutzer auf ihren Seiten empfohlen werden. Wir werden jedoch darauf achten, dass durch Überregulierung Innovationen nicht verhindert werden.
Wettbewerbswidriges Verhalten untersagen
Transparenz ist auch für gewerbliche Kunden von Plattformen wichtig, um die Platzierung eigener Produkte umsetzen zu können. Es geht aber auch darum, unseren kleinen und mittleren Unternehmen im Wettbewerb mit den Tech-Riesen Luft zum Atmen zu verschaffen. Bestimmte wettbewerbswidrige Verhaltensweisen müssen untersagt werden, damit die europäische Digitalwirtschaft gesund wachsen kann. Mittelständler sind zunehmend auf die Dienstleistungen von Plattformen angewiesen, etwa bei Marketing und Vertrieb.
Die Bundesnetzagentur hat 2020 mehr als 200 gewerbliche Kunden zu ihren Erfahrungen bei Marketing- und Vertriebsaktivitäten über digitale Plattformen in Deutschland befragt. Das Ergebnis: Fast drei Viertel der Unternehmen gaben an, ohne die Nutzung digitaler Plattformen erhebliche Schwierigkeiten zu haben, auch im deutschen Markt bestehen zu können. Es liegt auf der Hand, dass der Digital Markets Act den Unternehmen in der EU die Möglichkeit geben muss, in einem fairen Geschäftsumfeld zu agieren.
Neue Regulierung allein schafft aber noch keine neuen großen europäischen Plattformen, die auf dem Weltmarkt mitspielen können. Dafür braucht es zielgerichtete Maßnahmen. Zählt dazu auch der „Tech-Airbus“, also ein industriepolitisch aufgebauter europäischer Champion?
Zunächst gilt es, Europas Fähigkeiten nicht unnötig kleinzureden. Wir haben eine starke industrielle Basis.
Bisher prägen die großen Plattformen für Verbraucher die öffentliche Wahrnehmung – soziale Netzwerke oder Handelsplattformen. Aber auch in der Industrie findet derzeit ein grundlegender Wandel zur Plattformwirtschaft statt. Diese Plattformen müssen wachsen, hier darf Europa den Anschluss nicht verpassen. Die industrielle Basis haben wir. Wir brauchen aber noch das nötige „Futter“ und „Schmiermittel“: Daten und Künstliche Intelligenz.
EU darf keine Datenkolonie werden
Große Plattformen brauchen Daten, die sie wiederum mit Künstlicher Intelligenz verarbeiten können. Nur im Dreiklang wird Europa vorankommen: Sicherung des Wettbewerbs auf dem Plattformmarkt, freier Austausch von Daten in europäischen Datenräumen und ein exzellentes Ökosystem der Künstlichen Intelligenz – dies alles im Einklang mit den europäischen Werten. Nur so kann die EU ihre digitale Souveränität ausbauen und damit wettbewerbsfähig bleiben.
Gelingt dies nicht, wird der technologische Fortschritt weiter von Akteuren geprägt, die unsere europäischen Standards gezielt unterminieren. Die Europäische Union wäre am Ende eine Datenkolonie, die ihren Wohlstand aufs Spiel setzt. Wir haben jetzt eine einmalige Chance, die wir ergreifen müssen. Es gilt, mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act ein modernes, effektives Regelungsumfeld für die Plattformwirtschaft zu schaffen.
Die Kommission hat zudem jüngst einen neuen europäischen Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz vorgelegt. Auch hier ist die richtige Balance zu wahren zwischen Regulierung und Raum für Innovation. Schließlich erwarten wir im Laufe dieses Jahres noch einen Vorschlag für ein europäisches Datengesetz. Wir brauchen eine Modernisierung des Regelwerks zur Unterstützung des europäischen Wirtschaftsrahmens. In Kombination mit einer klugen Industriepolitik hätte Europa damit den Nährboden geschaffen für europäische Champions, die wir dringend benötigen.
Die Autoren: Kristina Sinemus ist Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung in Hessen und war Professorin für Public Affairs an der Quadriga Hochschule Berlin. Axel Voss ist Mitglied des Europäischen Parlaments. Thematischer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Digitalpolitik.
Mehr: EU-Kommissarin Vestager will Tech-Allianz mit den USA.
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Die Überregulierung ist doch heute schon absurd.
Die EU schreibt in jeder Verordnung/Richtlinie am Anfang einen dümmlichen Werbeblock in dem sie sich rühmt und lügend behauptet, die Umsetzung der jew. VO/RI würde die Bürokratie nicht erhöhen und hätte keine Kosten zur Folge.
Dies brauchen Genossen wie Manni Weber (CSU) offenbar, um vor sich selbst ihre Gefallsucht gegenüber den bürokratischen Anliegen der EU zu rechtfertigen.
Gefährlich sind nur 2 Monopole:
- GOOGLE, weil es sich wie ein Schutzgelderpresse am Eingang eines Ladens stellt und für jeden der den Laden digital betritt 3% Werbekosten will. Wer nicht zahlt, bekommt keinen Kunden.
- AMAZON, weil Amazon seit 20 jahren alle Versender ausrottet. Das sagen wir der Bürokraten-EU, die nicht mal in der Lage ist Impfsoffe zu bestellen, seit 20 Jahren.
Jetzt als alles zu spät ist, wollen sie das einschränken, kapieren aber in keiner Weise was dazu zu tun ist. Fragen tut die EU uns auch nicht. Da ist sie zu arrogant dafür.
Die 30.000 BesserwisserBeamten in Brüssel vermehren den Sozialismus und halten sich nicht an Recht und Gesetze, die sie selbst befohlen haben.
Es helfen nur Abwehrmaßnahmen:
1 Unternehmen verkaufen
2 Google, Amazon und weitere Techis kaufen
3 Auswandern, Steuern sparen
Die EU bekämpft angebliche Hassreden nur, weil sie damit den letzten Rest von Meinungsfreiheit ausschaltet. Es ist unglaublich was auf FB zensiert wird.
Echte Hassreden stören keinen ZENSOR und bleiben stehen. Das schlimme ist, dass sachliche Texte gesperrt werden, die NEUE und BESSERE Argumente liefern, insb. wenn es gegen grüne Lieblingsthemen geht:
Quoten
Klima
Corona
EU / EZB Rechtsbrüche
Eurorettung
Bezahlte linke Institute erpressen FB auch noch dafür zu zahlen, dass sie den politischen Gegner mundtot machen, Rechtsanwälte wie Joachim Steinhöfel kämpfen erfolgreich dagegen und gewinnen fast jede Klage, kommer aber kaum noch hinterher.
Es läuft auf eine grüne Diktatur und Meinungshegemonie hinaus.
Nach meiner Wahnehmung ist es eher umgekehrt: Nach meiner Beobachtung wird die Gesetzeslage bereits jetzt eher dafür genutzt unliebsame, bzw. nicht dem gewünschten Mainstream entsprechenden Beiträge zu entfernen und deren Autoren zu sperren.