Gastkommentar: Wie der Westen in Afghanistan versagt hat

Sigmar Gabriel (li.) ist Publizist und Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank und bei Siemens Energy. Er war von 2009 bis 2017 Vorsitzender der SPD und von 2013 bis 2018 Vizekanzler.
Shimon Stein ist Senior Fellow am Institut für Nationale Sicherheitsstudien an der Universität Tel Aviv. Er war von 2001 bis 2007 Botschafter Israels in Deutschland.
Verzweifelte Menschen, die sich auf dem Rollfeld des Kabuler Flughafens an ein amerikanisches Transportflugzeug klammern. Fassungslose Ortskräfte der Bundeswehr, die per Handy-Video aus ihrem Versteck Hilferufe schicken, jubelnde „Gotteskrieger“ der Taliban, die im verwaisten Präsidentenpalast ihre Herrschaft über Afghanistan zelebrieren. Die Bilder, die wir jetzt sehen und noch sehen werden, zeigen die menschlichen Tragödien in diesem Land.
Und es ist eine große Schande, dass es den westlichen Verbündeten nicht möglich war, einen sinnvoll koordinierten Rückzug zu organisieren und jeder ihrer afghanischen Helferinnen und jedem Helfer und deren Familienangehörigen eine sichere Ausreise zu ermöglichen.
Niemand konnte ernsthaft überrascht sein, dass der amerikanische Präsident Joe Biden den von seinem Vorgänger Donald Trump beschlossenen vollständigen Rückzug aus Afghanistan in die Tat umsetzen würde. Zu groß ist die innenpolitische Zustimmung, nach 20 Jahren den längsten Kriegseinsatz in der Geschichte der USA zu beenden. Zu sehr ist Bidens Agenda innenpolitisch geprägt. Und außenpolitisch konzentriert er sich und die militärischen Mittel seines Landes völlig auf die Auseinandersetzung mit China.





