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Gastkommentar„Wir brauchen einen politischen Kulturwandel – mit einer Regierung ohne CDU und CSU“

Die Klimapolitik ist eine Jahrhundertaufgabe. Doch die CDU ist wirtschaftspolitisch in den 1990er-Jahren stecken geblieben, meint SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. 06.05.2021 - 06:11 Uhr Artikel anhören

Der SPD-Generalsekretär meint, dass die konservative Blockadehaltung überwunden werden muss.

Foto: dpa

Mythen sind mächtig. Wenn sie sich einmal im Bewusstsein festgesetzt haben, werden sie oftmals sogar zur Gewissheit – berechtigt oder nicht. Ein solcher, sich festgesetzter Mythos ist die angebliche Wirtschaftskompetenz der CDU.

Es ist Zeit, dieser Erzählung ein Ende zu bereiten. Die CDU ist den wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr gewachsen. Viel mehr noch: Die Union gefährdet mit ihrer Wirtschaftspolitik aus den 90er-Jahren die Zukunft unseres Landes.

Mit der klimaneutralen Transformation unserer Wirtschaft stehen wir als Gesellschaft vor einer Jahrhundertaufgabe. Das ist nichts, was uns Angst machen muss – ganz im Gegenteil.

Unsere vielfältige und innovative Unternehmens- und Forschungslandschaft bringt die besten Voraussetzungen mit, aus diesem Umbau eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Viele Unternehmen stehen bereit, massiv in klimaneutrale Technologien und Infrastruktur zu investieren. Was fehlt, ist ein langfristiger politischer Rahmen.

Wenn wir es ernst meinen mit der klimaneutralen Wirtschaft in Deutschland, müssen wir die konservative Blockadehaltung im CDU-geführten Wirtschaftsministerium und darüber hinaus überwinden und dringend das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien anziehen.

Deutlich mehr Strom aus erneuerbaren Energien ist die Grundvoraussetzung für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft im Industriemaßstab. Das wiederum ist die Voraussetzung für die klimaneutrale Transformation von Schlüsselindustrien wie Chemie, Zement oder Stahl.

Nachhaltigkeit „made in Germany“ als Basis für den Aufschwung

Elektroautos und Windräder produziert mit in Deutschland hergestelltem grünem Stahl: Das wird langfristig gut bezahlte und hochqualifizierte Jobs der Zukunft hier bei uns sichern, den Innovationsstandort Deutschland für die kommenden Jahrzehnte prägen und weltweit neue Standards setzen.

Wir haben die große Chance, jetzt Wirtschafts- und Klimapolitik zu verbinden und damit unseren Wohlstand langfristig zu sichern. Nachhaltigkeit made in Germany ist die Basis für den wirtschaftlichen Aufschwung der 20er- und 30er-Jahre dieses Jahrhunderts.

Wenn uns die ökologische Transformation jedoch nicht gelingt, wandern Schlüsselindustrien und ihre Jobs irgendwann ins Ausland ab, nach China, Indien oder in die USA, die mächtig aufs Tempo drücken.

US-Präsident Joe Biden hat in nur 100 Tagen im Amt den klimaneutralen Umbau der US-Industrie zur Chefsache gemacht und ambitionierte Ziele bis weit in die 2030er-Jahre definiert.

Angela Merkel hat eine solche Leadership aus dem Kanzleramt heraus nie gezeigt. Abwarten ist kein politischer Stil, der uns weiterbringt. Langfristige Ziele und Orientierung wollten wir 2019 auch in das Klimaschutzgesetz schreiben – doch CDU und CSU beharrten auf der Streichung von Maßnahmen über das Jahr 2030 hinaus.

Die Union hat nun vom Bundesverfassungsgericht die Quittung dafür bekommen. Gerade diese regulatorische Leerstelle und die damit verbundene Unsicherheit, hat Unternehmen davon abgehalten, die extrem teuren Anfangsinvestitionen in die Klimaneutralität anzustoßen.

Die Union verwechselt die Nähe zu wirtschaftlichen Interessengruppen gern mit Wirtschaftskompetenz. Dabei scheut sie nicht davor zurück, die staatlichen Strukturen auch noch dafür zu nutzen, persönliche Interessengruppen zu versorgen oder sich im schlimmsten Fall die eigenen Taschen zu füllen, wie dies bei der Maskenaffäre sichtbar wurde.

Merz ist in den 1990er-Jahren stecken geblieben

Anstatt Wirtschaftspolitik mit Zukunft zu machen, schützen CDU und CSU veraltete Geschäftsmodelle, die noch den letzten Cent aus dem Status quo herauspressen. Es passt gut ins Bild, dass der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet nun den vermeintlichen Wirtschaftsexperten Friedrich Merz in sein Wahlkampfteam berufen hat.

Merz’ Verständnis von Wirtschaftspolitik, eigentlich sein gesamtes politisches Weltbild, ist in der neoliberalen Ära der 1990er-Jahre stecken geblieben. Über seine wirtschaftspolitische Inkompetenz amüsieren sich gerade die führenden Ökonomen Deutschlands.

Aber für Laschet ist er genau der richtige Mann, um seiner Forderung, es bräuchte nach der Krise eine Entfesselung der Wirtschaft und keinen Staat, der alles regelt, Nachdruck zu verleihen.

Mit solchen ideologischen Grabenkämpfen von Vorvorgestern verspielt man die Zukunft. Deutlicher kann man nicht darlegen, wie ausgebrannt und inhaltsleer die CDU nach 16 Jahren mit Angela Merkel im Kanzleramt dasteht.

Zum Glück ist die wirtschaftspolitische Forschung und Debatte den Standpunkten der Union mittlerweile um Jahre enteilt. Innovationsforscherinnen wie Mariana Mazzucato haben gezeigt, dass Innovationen durch das Zusammenspiel von Staat und Markt entstanden sind. Ohne staatliche Investitionen hätte es kein Internet, kein iPhone und kein GPS gegeben.

Eine verantwortungsbewusste, zukunftsorientierte Wirtschafts- und Innovationspolitik muss die Aufgabenteilung von Staat und Markt neu denken. Mazzucato plädiert für einen missionsorientierten Ansatz, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.

Dabei geht es nicht darum, dass der Staat Marktkräfte aushebelt. Es geht darum, dass der Staat mit klugen Investitionen, mit langfristiger regulatorischer Sicherheit und der Übernahme von Risiken die Richtung für Veränderungen vorgibt und den Rahmen für Innovationen setzt. Es ist eine Einladung an die Wirtschaft, gemeinsam mit Lust auf Innovation und Unternehmertum an den Herausforderungen unserer Zeit zu arbeiten.

Wir brauchen ein neues Verständnis vom Regieren

Olaf Scholz hat vier zentrale Zukunftsmissionen für die kommenden Jahre definiert, die er aus dem Kanzleramt angehen will: ein klimaneutrales Land bis allerspätestens 2045, das modernste Mobilitätssystem Europas, digitale Souveränität und ein flächendeckend starkes Gesundheitssystem.

Dafür braucht es einen starken Staat mit einem neuen Verständnis vom Regieren – transparenter, agiler, offener. Das heißt noch stärker als bisher wissenschaftliche und wirtschaftliche Expertise einholen, mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Zivilgesellschaft im Dialog sein.

Und das heißt, staatliche Strukturen so zu verändern, dass sie die besten Ideen und Innovationen fördern, anstatt ihnen im Weg zu stehen. Im Interesse des Gemeinwohls – und nicht im Interesse einiger weniger.

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Für diese Missionen braucht es einen politischen Kulturwandel. Dafür braucht es Leadership. Und dafür braucht es eine Regierung ohne CDU und CSU.

Mehr: Bundesregierung erhöht Klimaschutzziele deutlich

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