Prüfers Kolumne Vom Kryptocoin zum Kryptomenschen

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Ich habe mir überlegt, ob es nicht Sinn machen würde, ins Bitcoin-Mining einzusteigen. Mittlerweile machen das ja alle.
Ich habe gelesen, dass der Staat El Salvador Bitcoin-Mining als neuen Wirtschaftszweig ausbauen möchte. Die Bitcoins sollen dort bald auch offizielles Zahlungsmittel werden. Für das Bitcoin-Schürfen möchte man die Erdwärme der mehr als ein Dutzend Vulkane in El Salvador nutzen.
Bitcoins werden mit Rechnern erzeugt, und die Rechner verbrauchen dafür ziemlich viel Strom. Laut aktuellen Berechnungen verheizen Bitcoins 111 Terawattstunden im Jahr, das ist etwa der Stromverbrauch der Niederlande, und der ist schon ziemlich hoch, weil es dort zu viele Gewächshäuser gibt.
Wenn wir schon von Gewächshäusern reden: Kürzlich las ich eine Meldung, dass die Polizei eine Cannabis-Farm in Birmingham stürmen wollte. Es war aufgefallen, dass in einer abgelegenen Halle immens viel Strom verbraucht wurde, der normalerweise benutzt wird, um die UV-Lampen für Marihuana-Pflanzen zu betreiben.
Als die Beamten eintrafen, fanden sie allerdings Computer und nichts zu kiffen. Es war eine Bitcoin-Farm. Diese war allerdings ebenso illegal, denn der Strom war heimlich aus einer Leitung abgezapft worden.
Jetzt wollen alle mitmachen
Bitcoins lohnen offenbar nur dann so richtig, wenn man den Strom nicht selbst bezahlen muss. Um Bitcoins zu produzieren, braucht man aneinandergeschaltete, sehr leistungsfähige Computer, sogenannte Mining-Rifs. Die sehen mit ihren ganzen Lüftern ein bisschen aus wie Zwölfzylindermotoren. Und ihr Verbrauch ist entsprechend hoch.
Eine einzige Bitcoin-Transaktion soll mehr Strom verbrauchen als ein Ein-Familien-Haushalt im Monat. Und bis man einen Bitcoin aus dem Steinbruch des Internets geklopft hat, hat man schon seinen ungefähren Gegenwert in Strom investiert.
Dazu ist schon die Ausstattung ziemlich teuer. Schon ein kleiner Rechner kostet Tausende Dollar. Wahrscheinlich werden jene, die Bitcoin-Equipment verkaufen, letztlich die eigentlichen Gewinner des Kryptowährungs-Booms sein.
Denn es wollen ja nun alle mitmachen. Sogar Notenbanken überlegen nun, Kryptowährungen zu entwickeln, habe ich bei „Politico" gelesen. Eine Kryptoversion des Dollars etwa. Wenn der Dollar kryptisch sein kann, fragt sich, was denn eigentlich nicht kryptisch werden könnte.
Offenbar wird alles besser und attraktiver, wenn es kryptisch ist. Wenn es Kryptowährungen gibt, dann könnte es vielleicht auch Kryptobücher geben, Kryptoreisen oder vielleicht auch Kryptomenschen. Einen Partner, den man sich im Computer zusammenbaut. Der Vorteil wäre auf jeden Fall, dass man ihn ausschalten kann oder ihm zumindest ständig vorwerfen kann, wie viel Strom man schon für ihn verschwendet hat.
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