Querdenker-Kolumne Globales Handelswachstum treibt nicht automatisch das globale Wachstum

Leon Podkaminer ist Research Associate am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche.
In den vergangenen Jahrzehnten hat der internationale Handel an Bedeutung gewonnen. Der Anteil der globalen Exporte am globalen Bruttoinlandsprodukt betrug in den frühen Sechzigerjahren zwölf Prozent, stieg jedoch bis 2008 auf mehr als 32 Prozent an. Unter den Standardannahmen der Handelstheorie sollte die Handelsliberalisierung zu Wohlstandsgewinnen führen.
Überraschenderweise ist die Beziehung zwischen globalem Bruttoinlandsprodukt (BIP) und globalem Handel bislang keiner tief gehenden Überprüfung unterzogen worden. Meines Wissens ist eine Publikation aus dem Jahr 2014 von mir die einzige, die sich ökonometrisch mit diesem Zusammenhang befasst. Es zeigte sich, dass globales Handelswachstum das globale Wirtschaftswachstum nicht treibt, während globales Output-Wachstum positiv auf das globale Handelswachstum einwirkt.
Meine Ergebnisse passen zu der Tatsache, dass das phänomenale Wachstum im Welthandel, welches in den Siebzigerjahren begann, mit einer säkularen Abschwächung des preisbereinigten globalen Wachstums im selben Zeitraum einherging. Das Wachstum des jährlichen BIP pro Kopf betrug in den Sechzigerjahren 3,4 Prozent, sank in den Siebzigern auf zwei Prozent und dann weiter auf 1,4 bis 1,6 Prozent in den folgenden Jahrzehnten.
Negative Wachstumseffekte von zunehmendem Handel könnten dadurch entstanden sein, dass sich unter der Globalisierung große und hartnäckige Handelsungleichgewichte bildeten. Unter einer anderen internationalen ökonomischen Ordnung, die ausgeglichenen Handel zwischen den Nationen sicherstellt, könnte der globale Handel eine positivere Rolle einnehmen. Dabei müsste es den großen Nationen unmöglich sein, durch inländische Nachfrageschwäche und hohe Exportüberschüsse ihre Handelspartner zu destabilisieren.
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Zweitens scheint die Internationalisierung der Produktion ein Absinken der globalen Lohnquoten zu begünstigen. Die globale Verschiebung der Einkommensverteilung von Löhnen zu Profiten kann die schwächeren globalen Wachstumsraten erklären helfen, weil diese Verschiebung die allgemeine Sparneigung ansteigen lässt.
Destruktive Handelsüberschüsse
Die Schlussfolgerung wäre, dass die Paradigmen der internationalen Ordnung geändert werden müssen. Die wichtigsten Nationen müssen daran gehindert werden, ihre schwache Inlandsnachfrage durch gewaltige Handelsüberschüsse zu kompensieren und dadurch Arbeitslosigkeit zu exportieren.
Dasselbe gilt für zentrale Paradigmen der nationalen Wirtschaftspolitiken wie „gesunde Staatsfinanzen“ und Lohnpolitik im Dienste der Wettbewerbsfähigkeit. Denn diese dürften mit dem Abbau von destruktiven Handelsüberschüssen unvereinbar sein.
Mehr: Für das laufende Quartal sagt die Bundesbank wieder Wachstum voraus.
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Sehr kluge Analyse. Weniger Glaubenssätze, mehr Faktenorientierung. Credo quia absurdum ist selten ein guter Ratgeber.