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Gastkommentar"Die Grünen fahren den Klimakarren an die Wand"

Statt die breite Bevölkerung für den Klimaschutz zu begeistern, machen die Grünen vor allem Politik für die eigene Klientel. Und begehen dabei vier Fehler, meint Spieltheoretiker Marcus Schreiber. 03.07.2023 - 13:15 Uhr
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Der grüne Wirtschaftsminister gerät zunehmend unter Druck.

Foto: REUTERS

Vor einer der letzten Bundestagswahlen meinte eine meiner Schwestern, sie wähle Grün, denn Grün sei immer gut. Als Kopfmensch war ich von der Simplizität dieser Entscheidungsfindung überfordert, musste aber vor der Marketingleistung der Grünen den Hut ziehen. Für unpolitische, aber irgendwie doch gesellschaftlich verantwortungsbewusste Wähler haben sie ein simples wie brillantes Image aufgebaut.

Bei mir hat die Spitze der Grünen durch ihre Haltung zum Ukrainekrieg eigentlich einen Stein im Brett. Denn sie zeigt bei einer grundmoralischen und essenziellen Frage nicht nur rhetorisch Haltung, sondern mutet ihrer naiv friedensbewegten Gründergeneration einiges zu.

Als Robert Habeck das Wirtschaftsministerium übernahm, um den Klimaschutz voranzubringen, dachte ich mir, endlich verstehen sie, dass der Umgang mit Ressourcen in erster Linie eine ökonomische Frage ist. Ordnungspolitik und der zielgerichtete Einsatz von Subventionen ist der einzig wirklich erfolgsversprechende Ansatz.

Mittlerweile bin ich desillusioniert. Dass der grüne gesellschaftspolitische Autismus ein Konjunkturprogramm für die AfD ist, wurde medial in den letzten Wochen breit diskutiert. Wenn wir dafür beim Klimaschutz vorankämen, würde ich sagen, dass das eben der Preis ist. 

Klimaschutz wird aber nur funktionieren, wenn die Maßnahmen Akzeptanz bei immer breiteren Bevölkerungsgruppen finden. Und da sind wir auf dem falschen Weg.

Im Moment wird der eigene Fanclub bedient: Urbane, autolose Grünwähler in Mietwohnungen mit bester Verkehrsanbindung würden ihren Mitbürgern gerne vorschreiben, kein Auto zu fahren. Und wenn doch, dann welches und wie schnell. Sie zwingen – vielen meist ländlichen – Hausbesitzern Investitionen auf und schützen sich selbst davor, dass diese auf ihre Mieten umgelegt werden. 

Marcus Schreiber ist Gründungspartner und Chief Executive Officer bei TWS Partners. Er verfügt über langjährige Erfahrung im strategischen Einkauf und breites Branchen-Know-how. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich strategischer Einkauf, angewandte Industrieökonomik und Market Design. Außerdem unterstützt er Unternehmen dabei, spieltheoretisches Wissen in komplexen Vergabeentscheidungen anzuwenden. Foto: Joe McKendry

Wenn „Die Linke“ für ihre Parteigänger kämpft und verlangt, „die Unternehmen“ und „die Reichen“ sollten dafür zahlen, so mag das auf Dauer schädlich sein, aber es ist wenigstens ehrliche Klientelpolitik.

CO2-Handel braucht keine Subziele oder Vorgaben

Zweitens versuchen die Grünen einen Parallelklimaschutz zur EU. Das kann nicht funktionieren. Die EU führt in den nächsten Jahren für alle relevanten Sektoren – und dann hoffentlich sektorübergreifend – einen CO2-Zertifikatehandel ein.

Das heißt, die Menge an CO2, die in der EU verbraucht werden darf, ist fixiert und wird jedes Jahr abgesenkt. So ist sichergestellt, dass in einem Jahr nur so viel CO2 verbraucht wird, wie die EU festgelegt hat.

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Spart ein Land oder Sektor darüber hinaus Emissionen ein, steht anderen Ländern oder Sektoren mehr zur Verfügung. Das CO2 wird immer dort verbraucht, wo es den größten Nutzen stiftet, und dort eingespart, wo es am einfachsten ist. Nationale (oder gar kommunale) Subziele haben in dem System genauso wenig Platz wie Vorgaben, wie genau die Menschen einzusparen haben. Die Einführung von Tempo 100 in Deutschland führt zu null Komma null zusätzlichen CO2-Einsparungen in Bezug auf die Gesamtemissionen der EU.

Erst den Markt gestalten, dann Subventionen verteilen

Die Aufgabe nationaler Klimapolitik wäre es, es den Menschen zu erleichtern, mit weniger CO2-Verbrauch auszukommen. Damit wären wir bei Sünde Nummer drei von Habecks Combo.  Die ehemaligen Klimaaktivisten, mit denen er sich umgeben hat, haben offenbar ein komplettes Unverständnis für das Funktionieren von Märkten.

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Es gibt auf Jahre zu wenig Angebot bei klimaschonenden Heizungssystemen. Wenn man die Menschen zwingt, auf so einem Markt einzukaufen, verstärkt man die Marktmacht der Anbieter. Die Hersteller können ihre Kapazitäten quasi versteigern, die Preise steigen. Wenn nun der Staat versucht, dies über Subventionen abzufedern, fließt nur ein kleiner Teil der Subventionen in Kapazitätserweiterungen. Ansonsten führen sie zu Mitnahmeeffekten der Hersteller in Form von höheren Margen. Sie können einfach höhere Preise durchsetzen.

Clevere Klimapolitik würde vom Ende her denken und durch sogenanntes „Market-Design“ die Kapazitäts- und Preisprobleme erst lösen, ehe man Subventionen verteilt oder gar Investitionsvorschriften macht. Der Staat könnte seine Nachfrage mittels einer ausgeklügelten Ausschreibung oder gar Auktionen nutzen und steuern, dass zukünftig Subventionen nur an Unternehmen fließen, die im harten Wettbewerb die beste Kombination aus Kapazitätserweiterungen, regionaler Verfügbarkeit, technischem Fortschritt und niedrigen Preisen garantiert haben.

Nach dieser ersten Phase wäre es für Hausbesitzer billiger und schneller zu modernisieren. Subventionen kämen dann auch wirklich bei ihnen an.

Eine Marktlösung mit fairer Anfangsausstattung fehlt

Der vierte – und aus meiner Sicht größte – Fehler der aktuellen Klimapolitik ist der Verzicht, durch eine kluge Erstverteilung der CO2-Zertifikate in der Bevölkerung Akzeptanz für marktwirtschaftliche Ansätze zu schaffen. Theoretisch erreicht man durch einen perfekt gesetzten Preis für den Verbrauch einer Tonne CO2 ebenfalls eine dezentrale, effiziente CO2-Einsparung. CO2-intensive Produkte werden teurer.

Verbraucher sparen dort ein, wo es ihnen am leichtesten fällt. Unternehmen investieren, wo sie den größten Einspareffekt haben. Gerade in einem staatsgläubigen, marktkritischen Land wie Deutschland werden Preise jedoch als ungerecht angesehen, weil sich sozial Schwache sehr viel schwerer tun, höhere Preise für Heizung und Benzin zu bezahlen.

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Wenn man diese Bevölkerungsgruppen nun subventioniert, führt das nur dazu, dass der Einspardruck ausgerechnet bei den preissensibelsten Bürgern, also denen, bei denen sich am leichtesten die gewünschten Effekte einstellen, massiv abgeschwächt wird.

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Völlig anders wäre es, wenn wir jeden Menschen mit der gleichen Menge an Verschmutzungsrechten – sprich Zertifikaten – ausstatten oder noch Entfernung zu Arbeitsplatz und Einkaufsmöglichkeiten sowie Qualität des öffentlichen Nahverkehrs bei der Erstverteilung berücksichtigen. Studien zeigen, dass Marktlösungen viel eher akzeptiert werden, wenn die Startchancen als gleich oder fair angesehen werden. Der Superreiche müsste entweder auf seinen Privatjet verzichten oder Zertifikate hinzukaufen. Ärmere würden diese ihm nur verkaufen, wenn sie sich mit dem eingenommenen Geld statt der Zertifikate besserstellen.

Die Grünen haben einen essenziellen Beitrag für diese Gesellschaft geleistet, indem sie als Oppositionspartei den Klimaschutz auf die gesellschaftspolitische Agenda setzten. Als Regierungspartei sind sie auf dem besten Wege, den Klimakarren an die Wand zu fahren.

Mehr: Sieben Ideen gegen das Klimachaos der Ampel.
Erstpublikation: 30.06.2023, 16:12 Uhr

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