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ZuwanderungSo kann Deutschland auf den Fachkräftemangel reagieren

Statt monatelanger Prüfungen sollten Ausländer, die in einem globalen Online-Test ihre Fähigkeiten zeigen, direkt eine befristete Arbeitserlaubnis erhalten, meint Moritz Schularick. 10.10.2024 - 17:00 Uhr Artikel anhören
Moritz Schularick ist Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft. Foto: Skizzomat, Dpa

Der demografische Wandel kommt, die Arbeitskräfte werden immer weniger. Für Deutschland entsteht daraus ein großes Problem, das den Wohlstand bedroht. Vor der Covidpandemie wuchs das Produktionspotenzial jährlich im Durchschnitt um rund ein Prozent.

Der Mangel an Arbeitskräften wird unser Wachstumspotenzial massiv beschneiden. Dieser Mangel ist der Hauptgrund, dass es bis Ende 2025 auf nur noch 0,2 Prozent schrumpfen dürfte, fast nichts!

>> Dieser Gastkommentar ist ein Beitrag zur großen Handelsblatt-Aktion „Zukunftsplan Deutschland“. Alle Texte finden Sie hier.

Der Arbeitskräftemangel kostet uns in den nächsten Jahren im Durchschnitt 0,3 Prozentpunkte an Wachstumspotenzial, und die Verluste durch den demografischen Wandel werden mit der Zeit noch weiter steigen. Das zeigen die Prognosen meines Instituts.

Wir brauchen deshalb eine massive Zuwanderung an qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland. Schätzungen zufolge sprechen wir von einer notwendigen Netto-Zuwanderung von 400.000 Personen im Jahr.

Dafür sind vollkommen neue Ansätze erforderlich, denn für die gesuchten Leute ist es aktuell viel zu kompliziert, nach Deutschland zu kommen.

Onlinetest abgestimmt auf die Anforderungen der hiesigen Unternehmen

Die Aufgabe wird angesichts der Diskussion um die Migrationspolitik nicht leichter, die die Asyldebatte mit dem gewünschten Anwerben von ausländischen Arbeitskräften vermengt. Aber es gibt eine Lösung, die gleichzeitig die Kontrolle über die Zuwanderung bewahrt und den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt abbildet: Deutschland sollte einen globalen Onlinetest einführen, der auf die Anforderungen der hiesigen Unternehmen abgestimmt und direkt mit der Erteilung einer befristeten Arbeitserlaubnis verbunden ist. Der Test fragt direkt Fähigkeiten ab, statt auf die langwierige Anerkennung von Studienabschlüssen zu setzen.

So kann es uns gelingen, die Einwanderung zu bekommen, die uns nützt, ohne dass damit monatelange Wartezeiten und hohe bürokratische Hürden verbunden sind.

Das mag auf den ersten Blick radikal erscheinen, aber wir müssen uns jetzt trauen, neue und pragmatische Wege zu beschreiten. Erste Sympathisanten hat die Idee auch schon, etwa Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen von der CDU.

Ein paarmal im Jahr würde Deutschland den Test im Internet freischalten. Die ausländischen Interessenten werden dabei auf ihre Fähigkeiten getestet – von grundlegenden Dingen wie Lesen oder Rechnen bis zu technischem Know-how, Logik und weiteren Kompetenzen, die für bestimmte Berufsgruppen notwendig sind. Die Tests sind flexibel modulierbar und angepasst an die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts.

Wer besonders gut abschneidet und über die Fähigkeiten verfügt, die wir hier in Deutschland benötigen, kommt in eine Bewerberbörse. Auf die haben wiederum die deutschen Unternehmen Zugriff. Sie können zur Besetzung ihrer offenen Stellen nach passenden Kandidaten in dieser Datenbank suchen, wenn sie wegen des Arbeitskräftemangels im Inland niemanden finden.

Danach führen die Unternehmen noch ein Onlinegespräch mit dem Bewerber. Dabei kann der Arbeitgeber direkt prüfen, ob die Person für die Stelle geeignet ist. Wenn es ein solches „Match“ gibt, erhält der Arbeitnehmer aus dem Ausland automatisch eine fünfjährige Arbeitserlaubnis in Deutschland.

Weniger Bürokratie, mehr Arbeitskräfte gewinnen

Die aufwendige, Monate dauernde Prüfung und Übersetzung ausländischer Schulzeugnisse, Berufsabschlüsse und Ausbildungen durch Konsulate und Ausländerbehörden fällt weg. Das spart Zeit und Geld auf beiden Seiten und macht uns attraktiver.

Die Unternehmen wissen selbst am besten, welche Leute sie benötigen, nicht die Behörde, die Dokumente und Zeugnisse prüft.
Moritz Schularick

Warum sollte ein asiatischer Kellner oder eine südamerikanische Ingenieurin nicht zum Arbeiten nach Deutschland kommen dürfen, wenn die Geburtsurkunde der Mutter oder der Anhang zum Ausbildungszeugnis nicht mehr auffindbar ist? Die Unternehmen wissen doch selbst am besten, welche Leute sie benötigen, nicht die Behörde, die irgendwelche Dokumente und Zeugnisse prüft.

Ausreichendes Englisch sollte die einzige Sprachvoraussetzung sein, um den Pool möglicher Bewerber so weit zu vergrößern, dass Deutschland auf sein Demografieproblem auch wirklich reagieren kann. Aber auch das können im Zweifelsfall die Unternehmen selbst am besten beurteilen.

Marktwirtschaftliche Steuerung statt Behördenwillkür

Es wäre dann die Verantwortung der jeweiligen Unternehmen, die erfolgreichen Bewerber in die passenden Arbeitsstellen einzuarbeiten und weiterzuqualifizieren. Angesichts des Rekordhochs des Anteils unbesetzt gebliebener Ausbildungsplätze wäre auch eine vollständige Berufsausbildung in diesem Programm denkbar.

Die Gefahr, dass die Anwärter beim Test schummeln, lässt sich über technische Sicherheitsmaßnahmen und digitale Identifizierung so gering halten, dass sich Missbrauch vermeiden lässt. Nicht umsonst gibt es an deutschen Universitäten inzwischen auch digitale Klausuren.

Während derzeit alle von „Migration begrenzen“ sprechen, würde dieses System genau die Idee von einer Steuerung der Zuwanderung erfüllen, die sich gerade Konservative immer gewünscht haben: Wir suchen uns aus, wer zu uns kommen darf.

Mehr: Influencer, Virtual Reality, Ü40-Jährige – So finden Unternehmen doch noch Azubis

Das System würde Behördenwillkür und Unsicherheit bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse durch ein marktwirtschaftliches Instrument ersetzen. Angebot und Nachfrage bestimmen die Zuwanderung, nicht einzelne Beamte und ihre Bürokratie.‧ Das wird Deutschland verändern.

Die Verknüpfung der Einreiseerlaubnis mit dem Arbeitsplatz verhindert Einwanderung in die Sozialsysteme. Die Arbeitserlaubnis sollte für die volle Zeit der fünf Jahre erst nach Ablauf der Probezeit erteilt werden, falls Unternehmen und Einwanderer doch nicht zueinanderfinden. Daran sollte auch der Anspruch an Sozialleistungen gekoppelt sein. Wer in der Probezeit seinen Job verliert, muss in seine Heimat zurückkehren. Wer danach seinen Job verliert, hat drei Monate Zeit, einen neuen zu finden, danach verliert das Arbeitsvisum seine Gültigkeit.

Digitale Tests steuern gezielte Migration

Über das digitale Testsystem lässt sich die Zuwanderung auch so steuern, dass Deutschland sich bei der Integration nicht überfordert. Denn das Anspruchsniveau des Tests kann so angepasst werden, dass die Anzahl der Bewerber im Pool dem Bedarf und den Möglichkeiten entspricht. Schließlich funktioniert gute Integration nicht nur durch einen Arbeitsplatz, gleichzeitig müssen etwa ausreichend Wohnraum, Arztpraxen und Kindergartenplätze vorhanden sein.

Im Sinne der Integrationsfähigkeit erlaubt das Testsystem auch, den Migrationsstrom diverser aufzustellen und etwa Menschen aus Asien und Lateinamerika größere Anreize zu geben, nach Deutschland zu kommen.

Die Anforderungen an die Tests könnten nach diesen Kriterien individuell gestaltet werden, um eine Mischung im Zustrom sicherzustellen. Das ist Diskriminierung, aber eine positive. Die USA zeigen, dass das funktioniert. Dort sucht man sich aus, wer in das Land kommt. Und Erwerbsmigranten sind für den wirtschaftlichen Erfolg der USA ein entscheidender Faktor.

Verwandte Themen Deutschland USA Arbeitsmarkt Fachkräftemangel

Die konkreten Handlungsempfehlungen:

    Deutschland sollte einen globalen Onlinetest etablieren, mit dem wir einen Pool an fähigen und motivierten Zuwanderern aufbauen.Deutsche Unternehmen können nach einem Onlineinterview direkt Arbeitsverträge mit Personen aus diesem Pool abschließen, die dann automatisch eine fünfjährige Arbeitserlaubnis für Deutschland erhalten.Über das digitale Testsystem lässt sich die Zuwanderung auch im Sinne der Integrationsfähigkeit steuern, mit positiver Diskriminierung bei Kriterien wie Herkunftsregion oder Geschlecht.

Mehr: Bis zu 90 Prozent weniger Steuern – Wie andere Länder ausländische Fachkräfte ins Land locken

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