Gastkommentar: Afrika zeigt eine Stärke, für die Deutschland einst berühmt war

Als ich vor zehn Jahren für Volkswagen in Subsahara-Afrika unterwegs war, habe ich eine kleine Mangan-Mine in Südafrika besucht. Der Betreiber erzählte mir stolz, dass seine gesamte Produktion direkt an ein chinesisches Unternehmen gehe – mit Vorkasse, ohne Kredit oder langes Verhandeln. Ein Handschlag, ein Container voller Rohstoffe, das Schiff wartete bereits.
Diese Szene steht für eine Realität in Teilen Afrikas, in der Pragmatismus und Tempo zählen – und in der andere längst handeln, während wir in Deutschland und Europa noch diskutieren.
Ich habe über zehn Jahre auf dem afrikanischen Kontinent gelebt und gearbeitet – bei Daimler, bei Volkswagen, in Südafrika, Nigeria, Ruanda. Was ich gelernt habe: Man kann viel erreichen, wenn industrieller Mut, politischer Wille und vertrauensvolle Partnerschaften zusammenkommen.
In Ghana, Kenia oder Ruanda haben wir genau das erlebt. Dort wird nicht nur geredet, sondern gemacht – mit jener Mentalität, die ich aus dem deutschen Mittelstand kenne. Ich selbst bin in einem mittelständischen Unternehmen groß geworden. Diese Haltung – anpacken, nicht abwarten – wünsche ich mir auch in Großunternehmen.
Afrika bewegt mich beruflich wie persönlich, der Kontinent hat mich geprägt. Und ich bin überzeugt: Afrika ist ein Schlüsselmarkt der Zukunft.
Afrika ist kein Sozialprojekt
Schon 2050 wird jeder vierte Mensch weltweit Afrikaner sein. Bald gibt es dort das größte Arbeitskräfteangebot der Welt. Die Zahl der Tech-Start-ups mit internationalem Funding hat sich laut der International Finance Corporation (IFC) zwischen 2015 und 2022 versiebenfacht. Afrika ist kein Sozialprojekt – es ist ein strategischer Partner.
Umso richtiger ist es, dass die Bundesregierung eine neue Afrikastrategie erarbeiten will. Dabei sollte lokale Wertschöpfung im Zentrum stehen: nicht nur Rohstoffe importieren oder fertige Produkte exportieren, sondern vor Ort produzieren, ausbilden, investieren.
Volkswagen gehört zu den Konzernen, die diesen Weg gehen: In Südafrika mit unserem Werk in Kariega mit rund 4000 Beschäftigten und einem Netzwerk aus über 100 Zulieferern. In Ghana, Kenia und Ruanda mit lokaler Fahrzeugmontage und digitalen Mobilitätsdiensten.
Der neue Koalitionsvertrag erkennt die strategische Bedeutung Afrikas ausdrücklich an – ein längst überfälliger Perspektivwechsel. Positiv ist auch, dass Afrika nun stärker aus wirtschafts- und interessenpolitischer Sicht betrachtet wird.
Entscheidend ist, dass wir nicht nur ankündigen, sondern auch umsetzen – und dass sich nicht nur Großunternehmen trauen, sondern die Bundesregierung die Potenziale des Mittelstands aktiv mitdenkt.
Nur rund ein Prozent der deutschen Direktinvestitionen fließen nach Afrika. Das ist zu wenig. Wenn wir das ändern wollen, brauchen wir ein Gesamtpaket: Afrika ist unverzichtbar für unsere Energiewende, etwa als Lieferant von wichtigen Rohstoffen wie Kobalt, Lithium oder Seltenen Erden.
Damit solche Partnerschaften tragfähig sind, muss Europa Zölle, Standards und logistische Hürden abbauen – ebenso wie bürokratische Eintrittsbarrieren und Unsicherheiten beim Investitionsschutz. Ein Weg hierfür ist die Unterstützung der afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA), mit der Afrika zum größten Binnenmarkt der Welt avancieren kann.
Gleichzeitig scheitern viele Investitionen deutscher Unternehmen an fehlendem Kapital oder komplizierten Förderbedingungen. Bessere Finanzierungsinstrumente können helfen – gerade für kleine und mittlere Unternehmen.
Afrika ist führend bei Mobile Payment
Enorme Chancen liegen auch in der Digitalwirtschaft: Afrika ist führend bei Mobile Payment und Heimat vieler innovativer Start-ups. Hier kann deutsches Know-how andocken und gleichzeitig das Fachkräftepotenzial des Kontinents besser erschlossen werden – sowohl durch Einbindung in lokale Wertschöpfung als auch durch qualifizierte Fachkräfteeinwanderung nach Deutschland.
Deutschland braucht eine Afrikawende – strategisch, mutig, jetzt. Wenn wir Förderstrukturen neu denken, industrielle Zusammenarbeit stärken und auf allen Ebenen den politischen Willen zeigen, kann aus einzelnen Investitionen eine Bewegung werden.




Ich glaube an Afrika. Und ich weiß: Wer heute den ersten Schritt geht, gestaltet nicht nur neue Märkte mit – sondern Zukunft. Oder, wie man in Ostafrika sagt: „Der beste Moment, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Der zweitbeste ist jetzt.“
Der Autor: Thomas Schäfer ist CEO der Marke Volkswagen und Vorsitzender der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI).





