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GastkommentarWie Japan bei seltenen Erden unabhängiger von China wurde

Japan bekam schon 2010 chinesische Exportkontrollen zu spüren. Es setzte auf technische Innovation und internationale Partnerschaften. Das kann Vorbild für Europa sein, meint Aya Adachi. 09.07.2025 - 14:18 Uhr Artikel anhören
Aya Adachi ist Associate Fellow am Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Foto: REUTERS, AREA Ruhr

Der neue Handelskrieg wird nicht mehr mit Zöllen geführt, sondern mit Exportkontrollen – und China setzt dabei auf seine Vormacht bei seltenen Erden. Schon 2010 nutzte Peking dieses Instrument im Streit mit Japan: Nach einem diplomatischen Zwischenfall stoppte China zeitweise die Ausfuhr kritischer Rohstoffe, was in Tokio ein Umdenken auslöste.

Heute gilt Japan als Vorreiter bei der Diversifizierung und Sicherung von Rohstofflieferketten – eine Lektion, die Europa nun erst zu verinnerlichen beginnt.

Die aktuelle Verzögerung chinesischer Exportlizenzen für seltene Erden, die auch für deutsche Autohersteller relevant ist, führt Europas Abhängigkeit einmal mehr vor Augen.

China verfügt nur über rund 34 Prozent der bekannten Reserven, kontrolliert jedoch etwa 70 Prozent der weltweiten Förderung und 90 Prozent der Raffinierungskapazität.

Die Internationale Energieagentur prognostiziert bis 2040 einen globalen Nachfrageanstieg von 50 bis 60 Prozent bei Kobalt und seltenen Erden. Treiber sind Energiewende, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Japan gründete eigene Rohstoffagentur

Japan investierte gezielt in alternative Lieferketten, baute strategische Reserven auf und setzte auf technologische Innovation. Ein zentrales Instrument wurde die Japan Organization for Metals and Energy Security (Jogmec) – eine staatliche Einrichtung, die zwischen 2004 und 2020 über 600 Millionen US-Dollar (511 Millionen Euro) in mehr als 100 Rohstoffprojekte weltweit investierte.

Somit konnte Japan seine Abhängigkeit bei seltenen Erden von China innerhalb von zehn Jahren von 90 auf 58 Prozent reduzieren. Die Institution kombiniert Finanzierung, Risikoabsicherung und diplomatische Koordination. Sie deckte bis zu 75  Prozent der Anfangsinvestitionen ab – ein zentraler Hebel für Projekte in Hochrisikogebieten.

Ein Meilenstein war der Deal mit dem australischen Bergbauunternehmen Lynas im Jahr 2011. Die japanische Agentur übernahm einen erheblichen Teil der Finanzierung, was es dem Unternehmen ermöglichte, zum weltweit größten nicht chinesischen Produzenten von seltenen Erden aufzusteigen. Das Unternehmen deckt nun rund ein Drittel des japanischen Bedarfs.

Handelskonflikt

Rohstoffe als Verhandlungswaffe – China begeht einen Tabubruch gegenüber Europa

Heute definiert Tokio konkrete Lagerziele: bis zu 180 Tage Vorrat für besonders kritische Rohstoffe. Urban Mining wird vorangetrieben, um seltene Erden aus Elektroschrott zurückzugewinnen.

Zudem fließen rund 215 Milliarden Yen (1,26 Milliarden Euro) bis 2028 in den Tiefseebergbau, nachdem große Vorkommen nahe den Ogasawara-Inseln entdeckt wurden – trotz technischer Hürden und Umweltbedenken. Auch die Industrie bringt sich ein: Honda etwa entwickelte einen Neodym-Magneten für Hybridfahrzeuge, der ohne schwere seltene Erden auskommt.

In der Energieversorgung fließen mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar in Japan in die Entwicklung von Perowskit-Solarzellen – eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Modulen, die auf Silizium basieren, dessen weltweite Produktion weitgehend von China kontrolliert wird.

Die neue Technologie nutzt jodhaltige Materialien und gilt als leichter, flexibler und kostengünstiger. Bis 2040 will Tokio so viele dieser Zellen installieren, um 20 Kernkraftwerken zu ersetzen.

Was Europa von Japan lernen kann

Gleichzeitig engagiert sich Japan auch international: Als Gründungsmitglied der transnationalen Vereinigung zur Sicherung von Rohstoffketten (Minerals Security Partnership) arbeitet es mit den USA, der EU und Australien an fairen, nachhaltigen Rohstoffketten.

Diese Doppelstrategie – Förderung von heimischer Innovation einerseits, Aufbau resilienter internationaler Partnerschaften andererseits – kann auch Europa als Vorbild dienen.

Der neu geschaffene Europäische Ausschuss für kritische Rohstoffe (European Critical Raw Materials Board, CRMA) ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch ihm fehlen das operative Mandat und die finanzielle Schlagkraft eines Jogmec.

Die EU-Finanzierungsinstrumente bleiben fragmentiert und träge – besonders wenn es um riskante Frühphaseninvestitionen im Ausland geht, etwa in Afrika oder Südamerika.

Europa muss Japan nicht eins zu eins kopieren. Aber es braucht eine zentrale Institution mit klaren und stärkeren Befugnissen.

Sie könnte gezielt in Exploration investieren, Investitionsrisiken abfedern und Mittel dorthin lenken, wo sie am dringendsten gebraucht werden: in Projekte, die die Versorgung Europas mit kritischen Rohstoffen sichern.

Verwandte Themen Japan China Europa US-Dollar Honda

Wenn Europa seine Ziele im Rahmen des Grünen Deals, Digitalisierung und KI erreichen und zugleich seine wirtschaftliche Souveränität stärken will, führt an einer solchen Institution kein Weg vorbei.

Die Autorin: Aya Adachi ist Associate Fellow am Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Mehr: Seltene Erden aus China – So will die EU deutschen Firmen helfen

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