Gastkommentar – Homo oeconomicus Axel Ockenfels: Es braucht einen Mindestpreis für CO2

Der Wirtschaftswissenschaftler lehrt seit 2003 als Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität zu Köln.
Es scheint Bewegung in die internationale Klimapolitik zu kommen. Europa, China, Japan, Südkorea und andere Regionen haben versprochen, in den nächsten Dekaden Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Die USA und weitere Länder könnten folgen. Doch weil Klimaziele noch keine Treibhausgasemissionen reduzieren, lohnt ein Blick auf mögliche strategische Beweggründe hinter solchen Ankündigungen.
Ambitionierte nationale CO2-Vermeidung ist teuer und führt zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb. Weil auf der Habenseite ein kaum messbarer Klimanutzen steht, überlassen die meisten Länder die Klimaanstrengungen lieber den anderen. Doch nur wenn große Teile der Welt an einem Strang ziehen, lässt sich der Klimawandel aufhalten. Dies ist das grundlegende Dilemma der Klimapolitik.
Internationale Klimaverhandlungen sollen das Dilemma überwinden. Der Erfolg blieb bisher aus. Es stimmt zwar, dass sich die Weltgemeinschaft in Paris auf ein ambitioniertes kollektives Ziel einigen konnte. Aber das Dilemma besteht nicht darin, dass es Uneinigkeit bei dem Ziel gäbe, sondern darin, dass es zu wenig Anreize gibt, selbst zur Zielerreichung beizutragen. Paris illustriert dies lehrbuchhaft. Selbst wenn die bisher abgegebenen nationalen Versprechen alle vollständig umgesetzt würden, so würden die jährlichen globalen CO2-Emissionen weiter ansteigen.
Europa befürchtet daher zu Recht, dass andere Regionen nicht mitziehen, wenn es selbst ambitionierte Klimaziele verfolgt. Trittbrettfahrern droht Europa deshalb mit der Besteuerung von Importen an der europäischen Grenze, um Wettbewerbsvorteile aus laxeren Umweltregeln auszugleichen.
Es gibt einen Ausweg
Deswegen haben andere Regionen ein strategisches Interesse, ambitionierte Ziele zu verkünden. Ob sie die Ziele dann auch tatsächlich erreichen, ist eine andere Frage. Solange es nicht eine echte gemeinsame internationale Verpflichtung gibt, könnten europäische Anstrengungen sogar dazu führen, dass die Anreize zur Kooperation anderer Länder sinken.
Es gibt einen Weg aus dem Dilemma. Mit Kollegen habe ich im Rahmen von The Global Carbon Price Project einige der besten Klima-, Kooperations- und Verhandlungsforscher zusammengebracht. Der frei verfügbare Ergebnisband zeigt, wie Klimaverhandlungen geführt werden müssten, um Kooperation zu erzeugen. Bei aller Komplexität hat sich eine Antwort klar herauskristallisiert: Verhandlungen über eine gemeinsame CO2-Preisuntergrenze haben die beste Chance auf Erfolg.
CO2-Preise sind effektiv, vergleichsweise leicht verhandelbar, flexibel umsetzbar sowie national sozial und international fair gestaltbar. Besonders wichtig: Die Umsetzung einer gemeinsamen CO2-Bepreisung ist von Anfang an überprüfbar und erlaubt so unmittelbare reziproke Reaktionen auf die Klimapolitik der Verhandlungspartner, die für echte Kooperation und für gegenseitiges Vertrauen unverzichtbar sind.
Zuletzt hat sich der Internationale Währungsfonds hoffnungsvoll gezeigt, dass eine internationale CO2-Bepreisung möglich ist. Es gibt keine bessere Chance. Wir sollten sie ergreifen.
Mehr: Die Coronakrise stellt wesentliche Glaubenssätze der Energie- und Klimapolitik infrage
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.