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Gastkommentar – Homo oeconomicusDie deutsche Mittelschicht ist in Anbetracht starker Zuwanderung noch bemerkenswert groß

Alarmistische Meldungen vom Schrumpfen der Mittelschicht verschleiern, dass deren Anteil seit 2005 trotz starker Migration stabil blieb, stellt Daniel Stelter fest. 10.12.2021 - 15:05 Uhr Artikel anhören

Die Studie der Bertelsmann Stiftung sieht eine bröckelnde Mittelschicht.

Foto: dpa

In der vergangenen Woche hatte die soziale Marktwirtschaft wieder einmal eine schlechte Presse: Das ZDF meldete, die „Deutsche Mittelschicht schrumpft“, der Ökonom Marcel Fratzscher beklagte in der „Zeit“ „das gebrochene Aufstiegsversprechen“ und“ Spiegel Online“ das „gebrochene Versprechen der sozialen Marktwirtschaft“.

Basis für diese Aussagen war eine Studie der Bertelsmann Stiftung: Die hat festgestellt, dass der Bevölkerungsanteil, der zur Mittelschicht gehört, seit 1995 von 70 Prozent auf 64 Prozent gefallen ist.

Blickt man in die Studie, stellt man fest, dass die deutsche Mittelschicht mit 64 Prozent immer noch zwei Prozentpunkte größer ist als im Durchschnitt der OECD-Länder und nur einen Punkt kleiner als in der Schweiz und in Schweden, sowie zwei Punkte kleiner als in Österreich und Frankreich.

Seit 2005 ist die Mittelschicht stabil und sie erzielte in den Jahren vor der Coronapandemie deutliche Einkommenszuwächse. Der Anteil der hohen Einkommen liegt in Deutschland mit sieben Prozent unter dem Schnitt der OECD, der Anteil der Armutsgefährdeten und Einkommensarmen liegt auf dem Niveau vergleichbarer Länder. Das sind Daten, die nicht so recht zu den Schlagzeilen passen.

In Wahrheit haben wir es mit einer Erfolgsgeschichte zu tun, erreichen wir diese Werte doch trotz einer deutlich gestiegenen Zuwanderung von überwiegend gering Qualifizierten, nicht zuletzt im Zuge der humanitären Hilfe. Dies führt zu einem Druck auf die untere Mittelschicht, wie die Bertelsmann Stiftung ausführt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Zugewanderte der Mittelschicht angehören, ist geringer als Mitte der 1990er-Jahre, was jedoch die veränderte Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund widerspiegeln könnte.“

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „beyond the obvious“, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.

Foto: Robert Recker/ Berlin

Und weiter: „Die Zunahme sogenannter humanitärer Migranten ab 2015 führte zu einem Anstieg des Anteils von Immigranten (...) die möglicherweise länger brauchen, um sich in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren.“

Diesen Aspekt auszublenden und stattdessen über „gebrochene Aufstiegsversprechen“ und implizit über die Notwendigkeit von mehr Umverteilung zu schreiben lenkt von den eigentlichen Herausforderungen ab, vor denen wir stehen: Wie gelingt es uns, die untere Mittelschicht so zu qualifizieren, dass sie den Aufstieg schafft?

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Die Chancen stehen nicht so schlecht, wie man meinen könnte. Allein die demografische Entwicklung wird zu einer stark steigenden Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften führen.

Schreiben wir die Erfolgsgeschichte der sozialen Marktwirtschaft fort! Gelang es uns in den vergangenen Jahren, die Mittelschicht auf hohem Niveau zu stabilisieren, müssen wir Alteingesessene und Neuankömmlinge nun so fordern und fördern, dass sie künftig das Rückgrat der Gesellschaft bilden und dies zu höheren Realeinkommen als heute.

Mehr: „Erwerbsarbeit keine Garantie für Sicherheit” – Mittelschicht hat trotz steigender Einkommen Abstiegsangst

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