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Gastkommentar – Homo oeconomicusDie Finanzspekulationen mit CO2-Zertifikaten verstärken den Energiepreisschock

Der angestrebte schrittweise Anstieg der CO2-Preise funktioniert nicht, wenn Spekulanten kostenlos darauf wetten und ihn dadurch vorziehen können, stellt Peter Bofinger fest. 01.02.2022 - 08:39 Uhr Artikel anhören

Der Handel mit Zertifikaten erlaubt in der EU die Emission von CO2.

Foto: dpa

Das Herzstück der europäischen Klimapolitik ist der Handel mit Zertifikaten, die die Emission von Kohlenstoffdioxid (CO2) erlauben. Dahinter steht der Grundgedanke, dass man Schadstoffe am besten reduziert, indem man sie bepreist.

Das kann man erreichen, indem man eine Steuer auf CO2-Emissionen erhebt, die so hoch ist, dass eine angestrebte Emissionsmenge nicht überschritten wird. Man kann aber auch eine dem Emissionsziel entsprechende Menge an handelbaren Zertifikaten in den Markt geben. Der Preis der CO2-Emissionen wird dann über den Finanzmarkt bestimmt. Im Lehrbuch sind beide Ansätze äquivalent, wenn man die Nachfrage nach Zertifikaten richtig einschätzen kann.

Die Europäische Union entschied sich bereits 2005 für die Zertifikatslösung. Sie gilt bisher nur für die Energiewirtschaft, energieintensive Industrien und den innereuropäischen Luftverkehr. Da die bereitgestellte Menge an Zertifikaten anfänglich sehr großzügig bemessen wurde, war ihr Börsenpreis bis zum Jahr 2017 so gering, dass nur schwache Anreize zur Energieeinsparung gesetzt wurden. Von 2018 bis 2020 stieg der Preis relativ stetig und erreichte rund 30 Euro je Tonne, was der aktuellen CO2-Steuer in Deutschland entspricht.

Seit Januar 2021 geht es steil nach oben. Mit einem aktuellen Niveau von mehr als 80 Euro hat sich der Kurs binnen Jahresfrist fast verdreifacht.

Eine Ursache für diesen starken Preisanstieg ist die Verteuerung von Erdgas, die dazu geführt hat, dass Strom vermehrt über Kohlekraftwerke hergestellt wird. Sie benötigen mehr CO2-Zertifikate als Gaskraftwerke. Doch es gibt auch Anzeichen dafür, dass der CO2-Kurs vermehrt durch Hedgefonds und Investmentfonds getrieben wird, die in den Zertifikaten eine attraktive Anlagealternative entdeckt haben. Der Energiepreisschock wird so durch den Zertifikatehandel noch verstärkt.

Preispfad soll gut prognostizierbar sein

Das ist kein gutes Omen für die Pläne der EU, den Zertifikatehandel von 2026 an auch für den Gebäude- und Verkehrssektor einzuführen. Sie sollte das Prinzip der CO2-Bepreisung durch den Finanzmarkt noch einmal auf den Prüfstand stellen.

Im Kern strebt die Klimapolitik einen über die Zeit stetig steigenden CO2-Preis an. Um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben, sollte der Preispfad bis 2030 möglichst gut prognostizierbar sein.

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Peter Bofinger ist Ökonomieprofessor an der Universität Würzburg und war Mitglied des Sachverständigenrats.

Foto: SVR

Bei Kreditzinsen für Finanzinvestoren nahe null eröffnet diese Vorhersehbarkeit den Spekulanten nahezu risikolose Gewinne. Sie treiben den Zertifikatepreis unmittelbar auf das für 2030 erwartete Niveau. Anders als von der Politik angestrebt kommt es zu einem abrupten Preisanstieg, der Wirtschaft und Verbraucher überfordert.
Deshalb sollte die EU anstelle des dysfunktionalen Zertifikatehandels auf eine CO2-Steuer setzen. Eine Studie der Ökonomen Axel Ockenfels, Peter Werner und Ottmar Edenhofer zeigte zudem: Die direkte Bepreisung durch Steuern führt zu einem deutlich geringeren CO2-Ausstoß.

Mehr: Kommentar: Die Abschaffung der EEG-Umlage reicht nicht aus.

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