Gastkommentar – Homo oeconomicus Ein beherztes „Weiter-so“? – Das SPD-Wahlprogramm bietet Steuererhöhungen ohne Vision

Die SPD will den Wohlstand verteilen.
Wahlprogramme zu lesen lohnt sich, vermitteln sie doch einen Eindruck vom Denken der politischen Akteure. Welche Herausforderungen werden erkannt? Wo die Prioritäten gesetzt? Was für Lösungsvorschläge unterbreitet? Nehmen wir als Beispiel das Programm der SPD, deren Spitzenkandidat Olaf Scholz durchaus eine Chance auf das Kanzleramt hat.
Auf 65 Seiten beschreibt die Partei ihr Programm. Dabei finden Sicherung und Schaffung von Wohlstand wenig Platz. Weder der absehbare Rückgang der Erwerbsbevölkerung noch die seit Jahren rückläufigen Produktivitätszuwächse spielen eine Rolle; ebenso wenig die Abwanderung der Industrie ins Ausland.
Stattdessen setzt die SPD auf den Staat. Dieser soll als Investor den Umbau der Wirtschaft gestalten und unfairen Wettbewerb aus anderen Regionen verhindern. Auch Start-ups gedeihen nach Auffassung der Partei besser mit staatlicher Betreuung.
Deutlich wichtiger ist der SPD die Verteilung von Wohlstand: höherer Mindestlohn, Recht auf Homeoffice, großzügige Grundsicherung, Mietmoratorium und Beibehaltung des heutigen Renteneintrittsalters.
Den Programmschwerpunkt bilden Ideen, die Staatskassen zu füllen, obwohl in den zehn Jahren vor der Coronakrise die Abgabenquote um drei Prozentpunkte gestiegen ist. Verbunden mit dem Rückgang der Zinsen schwammen unsere Politiker förmlich im Geld. Von 2009 bis 2018 standen der Politik kumuliert allein auf Bundesebene 462 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung:
- 280 Milliarden Mehreinnahmen,
- 136 Milliarden Zinsersparnis und
- 46 Milliarden weniger Ausgaben für Arbeitslosigkeit.
Verwendet wurden die Mittel überwiegend für eine Ausweitung der Sozialleistungen. Demgegenüber spielten Schuldentilgung und Investitionen keine große Rolle.
SPD will weitere Spielräume nutzen
Der SPD genügt das nicht. Sie will den Umbau der Krankenversicherung zur Bürgerversicherung, höhere Steuern für die „oberen fünf Prozent“, die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen und die Verpflichtung für Selbstständige, in die gesetzliche Rente einzuzahlen. Außerdem sollen die „verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme“ genutzt werden.

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „beyond the obvious“, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.
Wofür diese zusätzlichen Mittel genutzt werden sollen, bleibt nebulös. Kleine und mittlere Einkommen sollen „bessergestellt“ werden. Genaue Angaben zum Umfang der Entlastung fehlen; ebenso Aussagen zu den künftigen Zahlungen im Rahmen der europäischen Solidarität und für den sozialverträglichen Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität.
So kann man den Eindruck nicht verdrängen, dass die SPD sich darauf beschränkt, die Kassen des Staates für ein beherztes „Weiter-so“ zu füllen. Vielleicht nicht verwunderlich bei einer Partei, die seit 1998 immerhin 19 Jahre in der Bundesregierung vertreten war. Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Landes reicht dieses Programm definitiv nicht.
Der Autor ist Gründer des Diskussionsforums beyond the obvious, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.
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Dieser Beitrag kommt leider über sehr durchsichtige Interessenvertretung nicht hinaus.