GASTKOMMENTAR – HOMO OECONOMICUS Zu wenig Geschlechtervielfalt in Führungsgremien: Für Banken ist das ein Risikofaktor

Neue Leitlinien für die Diversität in Führungsgremien von Banken.
Im Juni leitete die Europäische Zentralbank (EZB) eine öffentliche Konsultation ein. Es ging um die überarbeiteten Leitlinien zur Eignungsprüfung von Mandatsträger*innen in Kreditinstituten. Aus den neuen Leitlinien geht hervor, dass Geschlechtervielfalt ein zwingendes Thema sein soll, wenn es um die Eignung der Gremien geht.
Die Vertreter der EZB wiesen darauf hin, dass es bei der Geschlechtervielfalt in den Leitungsorganen europäischer Banken signifikante Defizite gebe. So sei der Frauenanteil unter den CEOs mit derzeit nur acht Prozent ausbaufähig.
In der Corporate-Governance-Szene stieß die Ankündigung der EZB, im Rahmen der Eignungsprüfung eines Leitungsorgans auch die Geschlechtervielfalt genauer unter die Lupe zu nehmen, sogleich auf Kritik: Die EZB würde durch immer mehr Vorgaben die Handlungsspielräume der Banken einschränken und sich zu sehr in die Definition guter Unternehmensführung einmischen, heißt es.
Dabei prüft die EZB schon seit November 2014 die Eignung von Mitgliedern der Leitungsorgane bedeutender Institute auf Basis eines umfassenden „Fit and Proper Assessments“. Auf Dutzenden Seiten werden Kriterien zur Qualifizierung, zur Unabhängigkeit und zur Struktur des Auswahlprozesses aufgeführt.
Detaillierte Eignungsprüfungen sind also bereits Standard und keine neue Einschränkung der Spielräume. Aufgrund der großen Relevanz gerade der bedeutenden Banken für das nationale und internationale Finanzsystem und die Realwirtschaft ist diese genaue Prüfung auch wichtig.
Die EZB legt zu Recht ein besonderes Augenmerk auf das Risikomanagement der von ihr beaufsichtigten Institute. Eine höhere Geschlechterdiversität in den Leitungsorganen hat einen positiven Effekt auf die Transparenz der Finanzberichterstattung und die Risikofrüherkennung, wie Studien zeigen.
Homogenität im Vorstand oder Aufsichtsrat erhöht dagegen das Risiko von Gruppendenken. Dieses kann zu massiven Fehlentscheidungen führen. Diversität trägt also entscheidend zu effektiver Governance bei, die völlig zu Recht im Fokus der Bankenaufsicht ist.
Geschlechterdiversität soll künftig keine anderen Eignungskriterien ersetzen, sondern zusätzlich zu den im Leitungsorgan insgesamt vorhandenen Kenntnissen, Kompetenzen und Erfahrungen geprüft werden. Dies kann die Eignung des Gremiums insgesamt nur verbessern.
Wer die Kompetenzen der EZB kennt, weiß, dass diese bei der Prüfung nicht über die jeweils national gültige Gesetzgebung zur (Geschlechter-)Diversität hinausgehen darf. Für den Großteil der von der EZB überwachten deutschen Kreditinstitute gilt derzeit weder die Frauenquote im Aufsichtsrat noch die Mindestbeteiligung in Vorständen.
Die Kritik an der Diversitätsprüfung scheint also eher eine reflexhafte Reaktion auf das Genderthema zu sein.
Mehr: EZB-Bankenaufsicht will Diversität in den Führungsgremien von Banken erhöhen
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Andere Probleme hat die EZB nicht, oder?