Homo oeconomicus Kurzarbeit schafft Spielräume zur Restrukturierung von Unternehmen

Anke Hassel ist Professorin of Public Policy an der Hertie School Berlin.
Deutschland hat die Kurzarbeit erfunden und schon praktiziert, als sie woanders noch unbekannt war. Sie war schon immer ein Instrument des Strukturwandels wie auch der Abfederung ökonomischer Schocks.
In der Zeit der deutschen Wiedervereinigung wurde Transferkurzarbeitergeld an solche Beschäftigte gezahlt, deren Arbeit dauerhaft wegfiel, aber deren Übergang in den Arbeitsmarkt abgefedert werden sollte. In der Finanzkrise 2008/09 hat sich die Kurzarbeit bewährt, weil sie den Unternehmen den massiven Konjunktureinbruch zu überbrücken half.
In der Coronakrise haben fast alle industrialisierten Länder eine Form der Kurzarbeit eingeführt, um die Arbeitnehmer, aber auch die Unternehmen vor Härten zu schützen. In Großbritannien wurde das Job Retention Scheme innerhalb weniger Wochen im April auf die Schiene gesetzt. Selbst die USA haben mit dem Paycheck Protection Program etwas Ähnliches versucht. Dort ist die Umsetzung jedoch kläglich gescheitert.
Mit der Entscheidung des Bundeskabinetts, den Bezug des Kurzarbeitergelds auf maximal 24 Monate bis Ende 2021 zu verlängern, werden den deutschen Unternehmen große finanzielle Spielräume zur behutsamen Restrukturierung geschaffen. Diese Unterstützung sollte nicht zum Nulltarif erfolgen, sondern durchaus an Bedingungen geknüpft werden.
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Nur ein kleiner Teil der Beschäftigten wird nach mehr als einem Jahr Kurzarbeit dort weitermachen können, wo er im März 2020 aufgehört hat. Viele Unternehmen und Organisationen werden ihre Geschäftsmodelle langfristig umstellen müssen. Das gilt für den Tourismus ebenso wie für Kulturbetriebe und auch für einige Bereiche der Industrie.
Bedingungen stellen
Eine Bedingung für den langfristigen Bezug von Kurzarbeitergeld sollte daher die Vorlage von tragfähigen und zukunftsorientierten Geschäftsmodellen sein. Diese sollten Qualifizierungskonzepte für Mitarbeiter in der Kurzarbeit umfassen. Dazu gehören auch Umschulungen von Mitarbeitern in Bereichen, in denen absehbar Stellen wegfallen werden.
Betriebe sollten mit ihren Betriebsräten diese Konzepte beraten und Qualifizierungsbedarfe erstellen. Arbeitsagenturen sollten in die Umsetzung von Qualifizierungskonzepten für Mitarbeiter in Kurzarbeit einbezogen werden, um auch unmittelbar in neue Stellen vermitteln zu können.
Zwar sollen und können die Arbeitsagenturen nicht die Qualität der Geschäftsmodelle überprüfen. Aber die Unternehmen werden durch die Erstellung eines Konzepts zu einem Dialog mit ihren Mitarbeitern über die Zukunft des Unternehmens gezwungen.
Zudem sollte die Datenlage über die von Kurzarbeit betroffenen Branchen und Qualifikationsprofile der Betroffenen deutlich verbessert und die Forschung in diesem Bereich gestärkt werden. Wir wissen derzeit nicht viel darüber, wo die Kurzarbeit besonders nachgefragt wird und von wem. Wenn der Staat viel Geld in die Hand nimmt, sollte er auf die Steuerungswirkung achten und nicht nur auf die Stabilisierung.
Mehr: IG-BCE-Chef Vassiliadis schlägt flexibleres Kurzarbeitsmodell vor
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