Asia Techonomics Wenn reale und virtuelle Welten verschmelzen: In Südkorea ist das „Metaverse“ Wirklichkeit

In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Tokio Es ist das nächste große Ding in der Onlinewelt, und in Südkorea ist es bereits Realität: das Metaverse. Microsoft, Facebook und Co. basteln bereits an großen Gemeinschaftsräumen im Cyberspace, die reale und virtuelle Welten mischen und in denen Menschen in Form ihrer digitalen Avatare agieren können. Laut der „Washington Post“ ist das die Zukunft des Internets.
Die Idee von virtuellen Gemeinschaften ist an sich nicht neu. Schon 2003 wurde die Online-3D-Infrastruktur Second Life gehypt. Allerdings wirken die neuen digitalen 3D-Welten weit überzeugender als die ersten Umsetzungen dieser Idee. Die amerikanischen Giganten müssen sich beeilen, wenn sie bei der neuen Schöpfungsrunde nicht abgehängt werden wollen. Denn in Südkorea ist das Metaverse bereits so sehr Mainstream, dass es im Wahlkampf und von Finanzinstituten genutzt wird.
Die regierende Demokratische Partei verlegte vorigen Monat den Start ihrer Präsidentschaftswahlkampagne in dieses neue Zwischenreich. 2022 wählen die Koreaner einen Nachfolger von Präsident Moon Jae In. Und um das internetaffine Volk auch während der Corona-Pandemie persönlicher zu erreichen als mit Youtube-Videos, stellten sich die bisherigen sechs demokratischen Interessenten auf das höchste Staatsamt nun den Wählern virtuell vor.
Die Partei hatte dafür eigens einen Bereich von „Metapolis“ angemietet, einer Metaverse-Plattform des Online-Wohnungsmaklers Zigbang, der die Idee global ausrollen will. Die Umsetzung wirkte zwar noch ein wenig hölzern; vor einem blauen Banner „saßen“ sechs Männer und eine Frau in Form von Videoblasen hinter einem wenig real erscheinenden virtuellen Tisch, virtuelle Laptops vor sich. Aber der Parteichef Song Young Gil versprühte Enthusiasmus: Das Metaverse-Camp läute ein neues Zeitalter politischer Kampagnen ein.
Große Banken und Broker der zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt wittern indes reale Geschäfte in virtuellen Welten. Der Broker NH Investment & Securities will Ende September seine eigene Metaverse-Plattform starten. Im „NH Universe“ sollen dann gleichzeitig 2000 Kunden kommunizieren, Dienste nutzen, Seminare besuchen oder einfach nur ein bisschen gemeinsam spielen können.
Der Antrieb sind die 52 Prozent der Onlinenutzer, die zu den digital groß gewordenen Generationen der Millennials und der Generation Z gehören. Mit dieser jungen Kundschaft würden sich die Standards bei der Auswahl von Finanzdienstleistungen ändern, erklärte ein Firmenvertreter der „Korea Times“. „Wir planen, die Investitionserfahrung der Kunden mit verschiedenen digitalen Plattformdiensten unterhaltsam und einfach zu gestalten.“
Japan und Südkorea setzen global digitale Trends
Dass die Dienste gerade in Ostasien so gut angenommen werden, liegt zum einen an superschnellen Internetverbindungen, zum anderen an Ostasiens alter Liebe zu neuen virtuellen Stars. Den ersten Durchbruch feierte 2007 der japanische Hologramm-Star „Hatsune Miku“, ein bewegter Anime-Teen mit langen blauen Haaren und extrem knappem Rock.
Das virtuelle Wesen war die Repräsentation eines Musik- und Stimmprogramms des japanischen Start-ups Crypton Future Media, mit dem Normalsterbliche ihre eigenen Songs komponieren können. Die Hits der crowdgesourcten Tech-Pop-Welle führte Hatsune Miku dann als lebensgroßes Hologramm bei realen Konzerten auf. Selbst in Singapur, Paris und Los Angeles füllte die Popikone Hallen.
Später wurden dann virtuelle Youtuber (VTuber) aus Japan zum Vorbild in der Region. Ein Megastar ist das mädchenhafte Manga-Wesen „Kizuna AI“, deren „A.I.Channel“ fast drei Millionen Abonnenten hat. Mit der Pandemie wurde die Nische nun auch global lukrativ: Laut Googles „Playboard“-Statistik sind dieses Jahr sieben der Top-Ten-Verdiener von Super-Chat-Spenden japanische VTube- und Hololife-Kanäle.
Die nächste Stufe virtuell-realer Geschäftsmodelle könnte nun wegen der Pandemie in Südkorea starten, dank des Zigbang-Gründers Ahn Sung Woo. Videocalls mit Diensten wie Zoom genügten ihm nicht, um mehr zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen. Und so überlegte der Start-up-Gründer, wie er die 3D-Technologien seines Onlinemaklers für die Aufwertung der Telearbeit nutzen könnte.
Das Resultat war ein digitales Büro. Dorthin müssen die Angestellten nun mindestens kommen, anstatt wie bisher digital isoliert zu Hause zu sitzen. Wenn sie jemanden sprechen wollen, bewegen sie ihren virtuellen Avatar wie im wirklichen Leben einfach zu der betreffenden Person.
Schnell skalierte der Zigbang-Gründer die Idee zur Plattform herauf. Ende des Jahres soll Metapolis dann global starten, verspricht Ahn. Dass der technologische Sprung die Welt der Büroraumanbieter treffen könnte, dürfte ihm egal sein. Denn Telearbeit im Metaverse macht dem Wohnungsmarkt keine Konkurrenz. Arbeiten können Menschen auch virtuell, nur zum Schlafen brauchen sie noch reale Betten.
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