Kolumne – Asia Techonomics Chinas Lieferdienste rüsten technologisch auf
Wer auf den Straßen in Peking, Schanghai oder einer anderen großen chinesischen Stadt unterwegs ist, muss vor allem eine Sorte Verkehrsteilnehmer fürchten: Lieferfahrer. Millionen von ihnen schwirren insbesondere zu Stoßzeiten wie der Mittagszeit oder abends in Chinas Metropolen umher.
Immer sind sie gehetzt. Ihre Elektroroller und dreirädrigen kleinen Lastautos zeugen von zahlreichen Unfällen: Lichter sind zerbrochen und notdürftig mit Tape zusammengeklebt, Spiegel fehlen, Türen sind zerkratzt und demoliert. Wer den übermüdeten und gestressten Lieferfahrern begegnet, weicht ihnen lieber gleich aus.
In den vergangenen Jahren sind zahlreiche große Lieferdienste in China entstanden. Die riesigen Großstädte der Volksrepublik bieten hervorragende Bedingungen für sie: Die Bewohner sind internetaffin, die Löhne niedrig, die Wege kurz, und die Regulierung ist lax. Auf engstem Raum wohnen in den von Hochhäusern dominierten Städten die Menschen dicht an dicht – was die Lieferwege deutlich verkürzt.
JD.com liefert von frischen Hühnerfüßen bis zur Waschmaschine alles bis zur Tür, von Alibabas E-Commerce-Plattform Taobao werden selbst Cent-Artikel wie kleine Armbändchen direkt ausgeliefert. Zur Mittagszeit stehen vor den Bürotürmen Chinas jeden Tag Millionen von in Plastiktüten gehüllten Plastikschalen mit warmen Mittagsmahlzeiten zur Abholung bereit – befördert von den Essensliefergiganten Ele.me und Alibabas Meituan. Selbst den Bubble-Tea für umgerechnet ein paar Euro kann man sich bringen lassen.
Experten erwarten, dass im Zuge der weiteren Urbanisierung und der wachsenden Mittelschicht in China der Markt in den kommenden Jahren weiterwachsen wird. Doch die Branche ist in den vergangenen Monaten in die Kritik geraten.
Grund sind die Bedingungen, unter denen das Heer von Lieferfahrern bei den Unternehmen arbeitet. Sie haben meistens weder Sozial- noch Krankenversicherung, und ihr Gehalt richtet sich danach, wie viel sie ausliefern und wie schnell sie dabei sind.

Im vergangenen Jahr sorgten Medienberichte über die schwierigen Bedingungen für Aufsehen. Laut einem Bericht missachten Auslieferfahrer regelmäßig Verkehrsregeln und riskieren ihr Leben, weil sie unter einem so großen Druck stehen, die Lieferungen möglichst schnell zum Kunden zu bringen.
Erste Experimente mit Lieferrobotern
Die Unternehmen reagierten auf die Kritik und verbesserten die Bedingungen für die Fahrer zum Teil. Ende Juli veröffentlichten die chinesischen Regulierungsbehörden dann neue Regeln zum besseren Schutz der Lieferfahrer: Sie sollen demnach nicht nur oberhalb des Mindestlohns bezahlt werden, sondern auch versichert sein. Außerdem sollen sie mehr Zeit für ihre Auslieferungen haben.
Investoren fürchten nun steigende Kosten für die Dienste, die Aktien von Meituan gaben nach Bekanntwerden der neuen Regeln nach. Zusätzlich unter Druck setzen könnte die Branche der demografische Wandel. Experten rechnen in den kommenden Jahren mit einem deutlichen Schrumpfen der erwerbsfähigen Bevölkerung.
Um Kosten zu sparen, setzen die Lieferdienste daher inzwischen auf technologische Lösungen. So arbeitet JD.com bereits seit Längerem an autonom fahrenden Lieferrobotern.
Obwohl der Konzern seit April laut eigenen Angaben seine autonomen Lieferfahrzeuge in mehr als 20 Städten in China für die Zustellung von E-Commerce-Paketen auf der „letzten Meile“ im täglichen Einsatz getestet hat, sieht man sie im Alltag auf den Straßen der Volksrepublik bislang nur selten. Die JD-Lieferroboterfahrzeuge kamen etwa bei dem harten Lockdown in der zentralchinesischen Stadt Wuhan am Anfang der Corona-Pandemie zum Einsatz.
Kommerzieller Einsatz von Lieferrobotern nimmt zu
Doch in immer mehr Testgebieten werden die autonom fahrenden Roboter erlaubt. Jüngst erteilte Peking Meituan, JD.com und Neolix, einem Entwickler von autonom fahrenden Lieferfahrzeugen, erstmals die Lizenz zum kommerziellen Einsatz ihrer Lieferroboter in der Hauptstadt – allerdings nur in einem bestimmten, rund 60 Quadratkilometer großen Bezirk weit außerhalb des Zentrums.
Auch im Bereich von Lieferdrohnen investieren chinesische Konzerne wie JD viel Geld. Während der schweren Überschwemmungen in Henan brachte ein Mitarbeiter des Unternehmens eingeschlossenen Helfern per Drohne Essen. Alibaba kündigte jüngst an, im nächsten Jahr 1000 Roboter auf chinesischen Universitätsgeländen und in lokalen Gemeinden einzusetzen.
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