Kolumne – Asia Techonomics Mit App und Eid: Wie Japan mit Technik die Einreisequarantäne überwacht

In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Um kurz nach 14 Uhr meldet sich mein Smartphone. „Sie werden gleich einen Videoanruf erhalten, der zur Bestätigung Ihres Aufenthaltsorts aufgezeichnet wird“, informiert mich eine Notiz. Ich gehe in die Mitte des Wohnzimmers und warte. Prompt klingelt das Telefon und ein Videobildschirm mit einem Oval in der Mitte springt auf.
Genau dort soll ich meinen Kopf positionieren, damit meine Überwacher den Hintergrund inspizieren können. Ich lächele, um höflich zu sein. Nach 30 Sekunden schaltet sich der Videoanruf automatisch aus, und die App bedankt sich für meine Zusammenarbeit. Willkommen in der Corona-Quarantäne, japanischer Stil.
Die Rückkehr nach Japan ist ein starker Kontrast zu meinem Deutschlandbesuch. Als ich Anfang Juli kurz in meine Heimat Bremen fliegen musste, brauchte ich an der Grenze nur einen negativen PCR-Test vorzuweisen und war dann ein freier Mann. Denn Japan galt zu dem Zeitpunkt nicht mehr als Risikogebiet. Japan ist da inzwischen viel strikter.
Schon der 14-tägige Quarantänezwang für alle Heimkehrer zeigt dies. Früher glich die Isolierung eher einer Bitte. Anders als im strengen China oder Südkorea durften die Corona-Verdächtigen einkaufen gehen oder Sport betreiben. Richtig überwacht hat das niemand.
Doch nun hat auch Japan die Kontrolle unter anderem technisch mit der App „MySOS“ aufgerüstet, die unter anderem die Ortsdaten aufzeichnet. Jeder Einreisende muss sich nach dem Landen dieses Programm und die offizielle Corona-Kontaktverfolgungs-App „Cocoa“ aufs Handy laden. Wer kein Smartphone besitzt, muss sich am Flughafen eines leihen.
Nicht jeder PCR-Test wird akzeptiert
Der Aufbau von „MySOS“ ist dabei schlicht. Die App zeigt das geplante Enddatum meiner Quarantäne an. Darüber hinaus gibt es drei Felder: Rechts ist der Knopf „Check-in“, den der Nutzer nach der Ankunft in seiner gewählten Quarantänestation drücken muss. Das kann ein Hotel oder die eigene Wohnung sein.
Links ist das Feld „Ich bin hier“, über das man möglichst zeitnah nach dem Erhalt einer App-Notiz zusätzlich den Aufenthaltsort bestätigen muss. Die Aufforderung erscheint mehrfach pro Tag. Einmal pro Tag gegen 11 Uhr morgens verlangt die App dann, bis 14 Uhr den Gesundheitszustand der Person in Quarantäne – und wenn vorhanden der Familie – zu berichten.

Mit umfassenden Schutzmaßnahmen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr will Japan die Einschleppung von Viren verhindern.
Die App ist Teil von umfassenden Schutzmaßnahmen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr, mit denen Japan die Einschleppung von Viren verhindern will. Dies wird schon beim inzwischen global üblichen PCR-Test vor Reiseantritt deutlich: Die Japaner akzeptieren nur ganz bestimmte Testmethoden, die in Deutschland nicht in jedem Testzentrum durchgeführt werden. Reisende mit dem „falschen“ PCR-Test wurden schon mal bei der Ankunft zurückgeschickt.
Am Flughafen wartet dann ein fließbandmäßig organisierter Testmarathon. Ein weiterer PCR-Test, in meinem Fall ein Speicheltest, ist dabei der Höhepunkt der Prozedur. Aber schon an Bord des Flugzeugs müssen Reisende eine eidesstattliche Erklärung unterzeichnen, mit der sie sich verpflichten, alle Regeln einzuhalten. Zuwiderhandlung kann bestraft werden, bei Ausländern bis hin zur Ausweisung.
Außerdem muss man seinen Gesundheitszustand beschreiben und einmal analog sowie später digital in einer Einreiseanmeldung den Quarantäneort angeben. Die Papiere werden dann jedes für sich an eigenen Stationen kontrolliert, die gut besetzt die Formalitäten sehr kleinteilig erledigen und alle Punkte haarklein erklären.

Auf Einreisende wartet ein fließbandmäßig organisierter Testmarathon.
Bei der App-Station zum Beispiel wartet ein Bataillon von Helfern: Einer hilft bei der Installation der App, der zweite erklärt sie und der dritte nimmt einen abgestempelten Laufzettel im Empfang, der bestätigt, dass der Einreisende die Einweisung voll durchlaufen hat. Auf zur nächsten Station. Drei bis vier Stunden kann dieser Hürdenlauf dauern.
Die Delta-Variante fand trotzdem ihren Weg
Danach ist es verboten, mit Bahnen, Bussen oder Taxen nach Hause zu fahren. Das private Auto ist erlaubt oder auch die Anmietung eines speziellen Limousinendienstes, der leicht mehrere Hundert Euro kosten kann. Auslandsreisen sind damit wirklich zu einem teuren Privileg geworden. Immerhin muss ich als Einreisender aus Deutschland derzeit nicht mehr wie die aus Corona-Krisengebieten für drei bis sechs Tage in ein spezielles Hotel, sondern darf gleich nach Hause fahren.
Schließlich es gibt einen typisch japanischen Kompromiss zwischen Hardcore-Überwachung und Menschlichkeit: Anders als in Korea darf der Eingesperrte kurz einkaufen gehen, wenn es unbedingt sein muss. Die Behörden gehen offensichtlich davon aus, dass Japaner nicht in allen Regionen online Lebensmittel kaufen können. Sport wurde allerdings als Ausnahme nicht mehr erwähnt.

Doch die derzeitige Corona-Lage in der Hauptstadt zeigt, dass auch diese Kontrolle die Einreise der Delta-Variante nicht verhindert konnte. In der Olympia-Stadt Tokio rasen die Infektionszahlen diese Woche auf neue Rekordhöhen.
Mehr: Reiserückkehrer, Impfunwillige, Inzidenz: Länder wollen neue Corona-Strategie
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.