Asia Techonomics: Der bizarre Kampf um ein Lied in Hongkong – und was Google damit zu tun hat

In der wöchentlichen Kolumne schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Berlin. „Befreit unser Hongkong, Revolution unserer Zeit“ – mit kräftigem Pathos in der Stimme sangen die Protestierenden in Hongkong vor rund vier Jahren die inoffizielle Hymne der Protestbewegung „Glory to Hongkong“. Die Demonstrierenden träumten von dem Erhalt der relativen Freiheit in der chinesischen Sonderverwaltungszone.
Doch die prochinesische Hongkonger Regierung ließ die Proteste brutal niederschlagen, prominente Figuren der Bewegung wie der Verleger Jimmy Lai, aber auch viele weitere weniger bekannte Demonstrierende wurden ins Gefängnis gesteckt.
Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass das Nationale Sicherheitsgesetz auf Bestreben der Pekinger Regierung in Hongkong in Kraft getreten ist – seitdem steht im Prinzip alles unter Strafe, was sich gegen die chinesische Partei- und Staatsführung richtet.
Hongkong hat sich dramatisch verändert. Auch die Tech-Konzerne, die in der Stadt vertreten sind, haben das längst zu spüren bekommen.
Derzeit kämpft der amerikanische Konzern Google dagegen an, dass er seine Suchmaschinenergebnisse in Hongkong zensieren muss. Konkret geht es um die Ergebnisse für die Suche nach der Nationalhymne Hongkongs. Statt die offizielle Nationalhymne der Stadt in den Treffern anzuzeigen, spuckt der Google-Algorithmus Links zu dem Protestsong aus – sehr zum Missfallen der von Peking eingesetzten Hongkonger Regierung.
Die Verbreitung des Liedes ist de facto verboten. Denn, so die Hongkonger Regierung, es werde benutzt, um die Nationalhymne zu „beleidigen“. Das Lied habe dem Land und Hongkong „schweren Schaden“ zugefügt. Deshalb verlangt die Regierung, dass der US-Konzern seine Suchergebnisse so zensiert, dass die „Glory to Hongkong“-Hymne nicht mehr in den Top-Funden auftaucht. Seit Monaten wehrt sich Google dagegen – bislang offenbar mit Erfolg.
>> Lesen Sie auch hier: Anti-Spionage-Gesetz beunruhigt deutsche Unternehmen
Bereits im Dezember hatte ein Konzernsprecher gegenüber der Hongkonger „South China Morning Post“ klargestellt, dass Google seine Suchergebnisse nicht anpassen werde. „Google bearbeitet jeden Tag Milliarden von Suchanfragen, daher bauen wir Rankingsysteme auf, um automatisch relevante, qualitativ hochwertige und hilfreiche Informationen anzuzeigen“, so der Sprecher. „Wir manipulieren organische Weblisten nicht manuell, um das Ranking einer bestimmten Seite zu bestimmen.“
Widerstand für wie lange?
Die Frage ist nur, wie lange Google den Widerstand noch aufrechterhalten kann. In den vergangenen Wochen ist das Lied laut Medienberichten von mehreren westlichen Streamingdiensten bereits entfernt worden, darunter Spotify und Apple Music.
Das wirft die Sorge auf, wie lange westliche Tech-Konzerne wie Google überhaupt noch in Hongkong bleiben können. Auf dem chinesischen Festland ist die Suchmaschine schon lange nicht mehr erreichbar, weil sich das Unternehmen nicht der strengen Zensur unterwerfen wollte. Auch andere Dienste wie Facebook oder Yahoo sind in der Volksrepublik bereits seit Jahren gesperrt.
Lesen Sie außerdem aus unserer Serie Asia Techonomics:
Während die Zensur neben der Meinungsfreiheit für Individuen auch andere Bereiche wie öffentliche Bibliotheken, Medienunternehmen und die Kulturszene längst massiv eingeschränkt hat, sind Websites in Hongkong bislang noch weitgehend frei erreichbar. Für Unruhe hatte jedoch gesorgt, dass in den vergangenen Monaten vereinzelt Artikel gesperrt wurden – was Befürchtungen aufgeworfen hat, dass bald auch ganze Websites gesperrt werden könnten.
Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass Google seinen Widerstand dauerhaft aufrechterhalten kann. Denn die Hongkonger Behörden meinen es sehr ernst im Kampf gegen die weitere Verbreitung der Hymne.






Erst am Mittwoch wurde ein 27-Jähriger von einem Hongkonger Gericht für schuldig befunden, in einem Video über eine Sportveranstaltung das Lied benutzt zu haben. Wie hoch die Strafe ausfallen wird, ist noch unklar – es droht ihm das Gefängnis.
In der Kolumne Asia Techonomics schreiben Sabine Gusbeth, Dana Heide, Martin Kölling und Mathias Peer im wöchentlichen Wechsel über die spannendsten technologischen und wirtschaftlichen Trends in der dynamischsten Region der Welt.
Mehr: Regierungsstreit um deutsche China-Politik flammt neu auf





