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Beyond the obviousDie Wirtschaftsschwäche Europas hat fatale geopolitische Konsequenzen

Keine Region leidet so stark unter dem Zerfall der regelbasierten Weltordnung wie die Europäische Union. Der Kontinent braucht eine radikale Wirtschaftswende, meint Kolumnist Daniel Stelter. 10.08.2025 - 09:14 Uhr Artikel anhören
Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums beyond the obvious, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online. Foto: Privat

Die Blamage der Europäischen Union (EU) bei den Zollverhandlungen mit den USA Donald Trumps redet sich nur ein kleiner Kreis Brüsseler Politiker und Bürokraten schön. Trotz ihres formal höheren ökonomischen Gewichts musste das Verhandlungsteam um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlechtere Konditionen hinnehmen als das Brexit-geschwächte Vereinigte Königreich. Dass es die Schweiz noch härter getroffen hat, ist da noch nicht mal ein schwacher Trost.

Deutlicher kann einem nicht vor Augen geführt werden, wie es um die EU steht. Der wirtschaftliche Niedergang mag für die Bürger nicht unmittelbar spürbar sein, er ist aber Realität.

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Erreichten Frankreich und Deutschland im Jahr 2000 noch ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, das sich in der Rangfolge der reichsten US-Bundesstaaten auf dem Niveau des 36. beziehungsweise des 31. US-Bundesstaats befand, so war das Pro-Kopf-BIP Frankreichs schon 2022 niedriger als das des 48. US-Bundesstaats Arkansas. Deutschland ist hier auf das Niveau von Oklahoma gesunken, das im US-Ranking auf Platz 38 liegt.

Setzt sich dieser Trend fort, wird die Wohlstandslücke zwischen dem durchschnittlichen Europäer und einem durchschnittlichen Amerikaner im Jahr 2035 genauso groß sein wie heute zwischen dem durchschnittlichen Europäer und einem Inder, wie Fredrik Erixon, Oscar Guinea and Oscar du Roy vom European Center For International Political Economy in einer Studie vorrechnen. Dieser relative wirtschaftliche Niedergang hat handfeste geopolitische Konsequenzen.

Es wird in den USA nach Trump keine Rückkehr zum Status quo ante geben

Vor allem, weil wir realistisch davon ausgehen müssen, dass es nach dem Ende der Amtszeit von US-Präsident Donald Trumps keineswegs eine Rückkehr zum Status quo ante geben wird, wie der in den USA lehrende deutschstämmige Professor Rüdiger Bachmann in einer aktuellen Studie überzeugend ausführt. Der „Trumpismus“ basiert zwar auf einer Vielzahl, keineswegs homogener Strömungen – was zu dessen erratischem Regierungsstil beiträgt –, ist aber Ausfluss einer zunehmenden Polarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft. Das Szenario einer „permanent von trumpesken politischen Bewegungen gefährdeten instabilen Demokratie“ hält Bachmann für am wahrscheinlichsten.

Die USA entwickeln sich zum Akteur in einer multipolaren Welt, in der Rücksichtslosigkeit zum zentralen Prinzip wird. Ob Russland, China oder die USA: Immer offensichtlicher setzen die Großmächte einzig und allein ihre nationalen Interessen durch. Die Zeit der „regelbasierten Weltordnung“ ist vorbei.

Will Europa in dem neuen Zeitalter der geopolitischen Machtpolitik nicht zwischen den USA, China und Russland zerrieben werden, muss es – so Bachmann – seine ökonomische, militärische, aber auch seine kulturelle Macht stärken. Militärisch mag man zumindest verbal und mit ersten Erhöhungen der Verteidigungsausgaben auf dem richtigen Weg sein. Kulturell ginge es vor allem darum, die Chance zu nutzen, zum globalen Sehnsuchtsort der akademischen Eliten zu werden, die es bisher in die USA gezogen hat.

Ökonomisch muss eine radikale Kehrtwende her, die immer schwieriger wird, weil die demografische Entwicklung nicht nur die Wirtschaft schwächt, sondern es der Politik immer schwerer macht, Reformen umzusetzen. Doch nicht alle Veränderungen müssen den Bürgern Lasten auferlegen. Eine Politik, die konsequent Energie verbilligt, statt sie immer mehr zu verteuern, wäre populär und würde die Wettbewerbsfähigkeit der Region erhöhen. Mehr Gelder für Forschung und Entwicklung und ein Abbau der Bürokratie durch Zurücknahme des Staates schmerzen allenfalls die Bürokraten.

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Beyond the obvious

Trumpismus und die Zukunft der EU

10.08.2025
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Nach wie vor fehlt die breite politische Einsicht, dass die Europäische Union einen fundamentalen Kurswechsel braucht. So beklagt der Europäische Rechnungshof, dass die mehr als 50.000 Beschäftigten bei der EU-Kommission, dem EU-Parlament und dem Europäischen Rat nicht genügen, um die „vielen neuen Aufgaben“ zu bewältigen.

Die Aufgaben allerdings zu hinterfragen, wird offensichtlich nicht in Erwägung gezogen. Statt sich zu beklagen, wäre es besser, man würde darüber nachdenken, welche Aufgaben gestrichen werden könnten, und würde das dann auch umsetzen.

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