EU-Kolumne: Deutschland nervt die EU mit dem E-Fuel-Streit

Es war ein Kräftemessen der besonderen Art, das Brüssel 2023 monatelang beschäftigt hatte. In den Hauptrollen: der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Ex-Klimakommissar Frans Timmermans, Schöpfer des Green Deals.
Während Timmermans die Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotor ab 2035 komplett verbieten wollte, wollte Wissing eine Ausnahmeregelung schaffen, wenn diese ausschließlich mit klimaneutralem, synthetischem Kraftstoff – E-Fuels genannt – betankt werden.
Es kam zu einem Showdown der besonderen Art. Am Ende bekam Wissing seine Ausnahmeregelung – auch weil er die ganze EU unter Druck setzte und den Entscheid zum Verbrenner-Aus blockierte. Viele in Brüssel waren stark verärgert, denn das Verbrenner-Aus war eigentlich längst beschlossene Sache.
In der vergangenen Woche drohte sich das Szenario zu wiederholen. Dieses Mal ging es nicht um Pkw, sondern um schwere Nutzfahrzeuge. Auch bei Lkw und Bussen will sich die EU langfristig vom Verbrenner-Motor verabschieden, um ihre Klimaziele bis 2050 zu erreichen.
Doch die Umstellung auf Elektro ist hier aufgrund des Gewichts der Fahrzeuge eine größere Herausforderung als bei Pkw. Deswegen hatte sich die EU darauf geeinigt, bis 2040 die CO2-Emission bei schweren Nutzfahrzeugen um 90 Prozent zu reduzieren – mit Zwischenzielen für 2030 und 2035.

Dieses Ergebnis verhandelte auch Deutschland mit. Dann kam in der vergangenen Woche die erneute Kehrtwende: Das deutsche Verkehrsministerium blockierte plötzlich die Abstimmung im Rat. Es fehle eine Ausnahmeregelung für E-Fuels – so wie beim Pkw.
Bereits die Definition von E-Fuels stellt eine Hürde dar
Die belgische Ratspräsidentschaft verschob die ursprünglich für Mittwoch angesetzte Abstimmung auf Freitag, erhöhte aber den Druck auf Deutschland. Wenige Minuten vor der Abstimmung einigte sich die Bundesregierung mit der EU-Kommission auf eine Ergänzung bei der Formulierung der CO2-Flottengrenzwerte für Lkw und Busse und eine Fußnote zu E-Fuels im Rechtstext. Demnach soll zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden, unter welchen Bedingungen Lastwagen, die ausschließlich mit E-Fuels betankt werden können, auch nach 2040 zugelassen werden könnten. Ob es zu dieser Regelung jemals kommt, ist völlig ungewiss.
Denn auch beim Pkw sind E-Fuels längst keine beschlossene Sache. So befindet sich zwar die gleiche Fußnote auch im Rechtstext der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw. Insgesamt ist es für die Umsetzung noch ein weiter und teils unrealistischer Weg. Damit E-Fuel-Verbrenner künftig tatsächlich neu zugelassen werden können, müssen zwei Dinge passieren: Zum einen muss von einem Ausschuss erst einmal definiert werden, was überhaupt unter den Begriff E-Fuels gefasst wird.
Das wird schon schwierig genug. Im technischen Komitee für motorisierte Fahrzeuge können sich die EU-Staaten schon nicht auf eine Definition für synthetische Kraftstoffe einigen. Vor allem Italien drängt darauf, dass auch Biokraftstoffe unter die Definition fallen, da sie diese selbst produzieren. Frankreich will hingegen gar kein E-Fuels.
Hat Timmermanns Wissing hinters Licht geführt?
Im zweiten Schritt müsste diese Definition theoretisch in schon bestehende Abgasnormen (Euro 6) aufgenommen werden. Denn darauf beziehen sich die Flottengrenzwerte. Spätestens hier gibt es viele juristische Fragzeichen. Selbst für erfahrene Europapolitiker ist es ein großes Rätsel, wie das geschehen soll. Denn auch die Einigung für die Euro-7-Norm steht schon – ohne Erwähnung von E-Fuels. Stattdessen munkelt man, dass Timmermans immer bewusst war, dass es dafür gar keine Möglichkeit gibt – und er Wissing hinters Licht geführt habe.
Da sich die Parteien offenbar nicht aufeinander zubewegen, wurde der Punkt der Definition von E-Fuels zuletzt von der Tagesordnung des zuständigen Komitees gestrichen. Mit Fortschritten rechnen die Beteiligten erst deutlich nach den Europawahlen im Juni.
Wer das Kräftemessen gewinnt, wird sich nach der Europawahl zeigen. Die EVP-Fraktion hat bereits angekündigt, das Verbrenner-Aus rückgängig zu machen, sollten sie stärkste Kraft im Parlament werden.
Der Rest der Brüsseler Politik ist hingegen nur noch genervt von der FDP – zumal es sich bei den Abgaswerten bei Lkw nicht um die einzige Blockade der Liberalen handelt. Auch die Abstimmung zur EU-Lieferkettenrichtlinie wurde kurzfristig auf kommende Woche verschoben, weil Deutschland angekündigt hatte, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Die Ratspräsidentschaft war sich nicht mehr sicher, ob noch eine Mehrheit für die EU-Richtlinie realistisch ist.






