1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kolumnen
  4. EU-Kolumne: Warum von der Leyens Pläne so häufig kassiert werden

EU-KolumneWarum von der Leyens Pläne so häufig kassiert werden

Die Kommissionspräsidentin hat den groß angekündigten „Souveränitätsfonds“ still beerdigt. Es ist nicht der einzige Plan, der sich als unrealisierbar erweist.Carsten Volkery 27.06.2023 - 08:30 Uhr
Artikel anhören

Die Kommissionspräsidentin prescht gerne mit Ideen vor, die sie dann hinterher nicht umsetzen kann.

Foto: AP

Wenn eine neue Krise auftaucht, kommt die erste Antwort darauf häufig von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ihre Worte klingen auch meist einleuchtend, weil die CDU-Politikerin eine gute Kommunikatorin ist. Sie beherrscht die Kunst, selbst die komplexesten Vorhaben in verständlicher Sprache vorzutragen. Das ist keine Selbstverständlichkeit – weder in Brüssel noch in Berlin.

Doch hat von der Leyen ein anderes Problem: Nicht selten stellt sich einige Wochen oder Monate später heraus, dass sich ihre wohlklingenden Ankündigungen nicht umsetzen lassen, weil sie nicht mehrheitsfähig sind.

Im Rat der 27 Mitgliedstaaten lösen von der Leyens Vorstöße deshalb regelmäßig Unmut aus. EU-Diplomaten klagen über den ausgeprägten Aktionismus der Christdemokratin. Sie versuche immer wieder Entscheidungen vorwegzunehmen, indem sie einen Plan ankündige, obwohl dieser noch gar nicht spruchreif sei, sagt ein EU-Diplomat.

Beispiele gibt es zuhauf. Die jüngste Niederlage kassierte von der Leyen vergangene Woche, als sie den überarbeiteten mehrjährigen Finanzrahmen (2021 bis 2027) vorstellte. Das hätte der große Moment werden sollen, um einen „Souveränitätsfonds“ als Antwort auf das grüne amerikanische Subventionsprogramm IRA vorzustellen.

Im Dezember hatte sie vor dem Europaparlament einen „europäischen IRA“ versprochen. Man brauche „eine gemeinsame europäische Industriepolitik mit einer gemeinsamen europäischen Finanzierung“, hatte sie erklärt.

Jede Woche analysiert Carsten Volkery, Handelsblatt-Korrespondent in Brüssel, im Wechsel mit seinen Kollegen des Brüsseler Handelsblatt-Büros Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der EU. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: volkery@handelsblatt.com

Foto: Klawe Rzeczy

Nun starb der „Souveränitätsfonds“ einen stillen Tod, sie nahm das Wort nicht einmal mehr in den Mund. Stattdessen kündigte sie bloß einige Umschichtungen im Haushalt an und bat die Mitgliedstaaten um zehn Milliarden Euro für bestehende Investitionsfonds.

Ähnlich dürfte die Debatte um die russischen Zentralbankreserven ausgehen. Mehr als 200 Milliarden US-Dollar sind auf Konten in der EU eingefroren. Von der Leyen will noch vor der Sommerpause einen Vorschlag vorlegen, wie die EU diese Gelder zugunsten der Ukraine einsetzen könnte. Diskutiert wird über eine Sondersteuer auf die Zins- und Anlagegewinne, die das eingefrorene Vermögen jeden Monat generiert.

EU-Staaten sehen Zugriff auf russische Reserven skeptisch

Doch auch dieser Plan stößt auf allergrößte Skepsis in den Mitgliedstaaten. Nur Polen und die baltischen Länder sind dafür, der Rest eher dagegen. Man werde allein auf die russischen Gelder zugreifen, wenn es rechtlich unbedenklich sei, sagt ein EU-Diplomat. Genau diese Garantie können Juristen aber offenbar nicht geben. Damit wäre auch dieser Von-der-Leyen-Vorschlag zum Scheitern verurteilt.

>> Lesen Sie hier: EZB warnt EU vor Nutzung russischer Reserven

Ein weiteres Beispiel zeichnet sich in der Migrationspolitik ab. Beim Besuch in Tunesien stellte von der Leyen kürzlich ihrem Gastgeber, Präsident Kais Saied, eine Milliarde Euro für einen Flüchtlingsdeal in Aussicht. Ein Hingucker, der wichtig war, um die Unterstützung Italiens für den europäischen Asylkompromiss zu erhalten.

Doch wurde auch diese Summe im Rat der Mitgliedstaaten als voreiliges Versprechen empfunden, denn das Geld soll an Bedingungen geknüpft sein, die Tunesien nicht erfüllen will.

Verwandte Themen Europäische Union EU-Kommission Russland

Mit ihrer Schlagzeilendiplomatie hat von der Leyen manches erreicht, nicht zuletzt hat sie die Außenwirkung der Kommission deutlich erhöht. Doch führt ihr Faible für große Gesten und Zahlen dazu, dass sie zu hohe Erwartungen weckt – und sie ihre Versprechen später wieder kassieren muss.

Mehr: Von der Leyen gibt Souveränitätsfonds auf - fordert aber 66 Milliarden Euro von den Mitgliedstaaten

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt