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Europa-Kolumne Die EU behandelt alle Schulden gleich – das ist die größte Schwäche des Stabilitätspakts

Die Fronten sind beim EU-Stabilitätspakt abgesteckt: Die Südeuropäer würden ihn am liebsten ganz loswerden, die Nordeuropäer ihn bewahren. Und alle schauen auf den Wahlausgang in Deutschland.
14.09.2021 - 10:33 Uhr Kommentieren
Europa-Kolumne: Die EU verliert Rückhalt der deutschen Wirtschaft
Europa-Kolumne

Jede Woche analysiert Moritz Koch, Leiter des Handelsblatt-Büros in Brüssel, im Wechsel mit anderen Brüsseler Korrespondenten Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der EU. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: [email protected]

Gibt es gute und schlechte Schulden? Die Frage erübrigt sich eigentlich, jeder Bank-Azubi lernt, diese Unterscheidung zu treffen. Es ist nicht egal, ob ein Unternehmer mit einem Kredit seine Fabrik erweitern oder sich einen Koi-Karpfen-Teich im Garten anlegen will. Und genauso wenig ist es gleichgültig, ob ein Staat Anleihen ausgibt, um Schulen und Zugstrecken zu finanzieren oder Beamtenpensionen zu erhöhen.

Die EU jedoch behandelt alle Schulden gleich – das ist die größte Schwäche des europäischen Stabilitätspakts. Schon vor 20 Jahren bezeichnete ihn der frühere Kommissionspräsident Romano Prodi daher als „dumm“. Jetzt wird in Brüssel wieder um die Schuldenregeln gestritten – und die Diskussionen zeigen, wie schwer es für Politiker ist, bei emotional aufgeladenen Themen eine differenzierte Position zu beziehen.

Die Fronten sind abgesteckt. Die Südeuropäer würden den Pakt am liebsten ganz loswerden, sie sehen darin ein wachstumsfeindliches Korsett. Die Nordeuropäer dagegen wollen ihn bewahren. Wie die Kontroverse ausgeht, wird entscheidend von der Positionierung der nächsten Bundesregierung ausgehen.

Die Unionsparteien sehen sich als Garanten finanzpolitischer Disziplin. SPD und Grüne dagegen sind zu Reformen bereit, wenngleich Bundesfinanzminister Olaf Scholz betont, der Fiskalpakt hätte sich in der Pandemie durch seine Flexibilität bewährt.

Das sieht die EU-Kommission anders. Währungskommissar Paolo Gentiloni hat klargestellt, dass er die nächsten Jahre nicht damit verbringen will, „unrealistische“ Regeln anzuwenden. Tatsache ist, dass die Kernforderungen des Pakts – das Haushaltsdefizit darf nicht über drei Prozent, die Gesamtverschuldung nicht über die Marke von 60 Prozent der nationalen Wirtschaftskraft steigen – von praktisch keinem EU-Staat mehr erfüllt werden.

Regeln, an die sich niemand hält, sind keine

Seit 2020 sind die Regeln daher ausgesetzt, erst 2023 sollen sie wieder greifen. Wer sich auf die Position zurückzieht, mit dem Pakt sei alles in Ordnung, macht es sich daher zu einfach. Regeln, an die sich niemand hält, sind keine. Daher müssten auch Deutschland und andere Länder, die Lockerungsgelüsten der Südeuropäer skeptisch gegenüberstehen, Interesse an einer sachlichen Diskussion haben.

Reformvorschläge gibt es längst. Die Kommission will mit der öffentlichen Konsultation aber lieber noch die Bundestagswahlen abwarten. Das kommt gerade Scholz gelegen, der sich den Wählern als solider Kassenwart präsentieren will. Spätestens im Oktober jedoch wird die Debatte an Fahrt gewinnen.

Die Kunst wird es sein, einen Weg zu finden, der finanzielle Nachhaltigkeit mit dem Investitionsbedarf in Einklang bringt, der angesichts der grünen Transformation der Wirtschaft in allen EU-Staaten besteht. Und hier kommt die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Schulden wieder ins Spiel. Staatliche Investitionen zum Aufbau einer klimaneutralen, zukunftsfesten Wirtschaft sind anders zu bewerten als das Verteilen von Wahlgeschenken. Auch Deutschland stünde besser da, wenn sich die CSU stärker um den Ausbau der Glasfasernetze als die Mütterrente gekümmert hätte.

Vielleicht hilft ein Blick nach Washington. Der Internationale Währungsfonds betrachtet nicht pauschal den Schuldenstand seiner Mitgliedstaaten; er analysiert die Tragfähigkeit von Schulden. Dabei werden das Zinsniveau und das erwartete Wachstum mitberücksichtigt. Kluge Investitionen ermöglichen künftige Einnahmen – wenn sich diese Einsicht in der Schuldendebatte durchsetzte, wäre viel gewonnen.

Mehr: Klimaziele der EU setzen Stabilitätspakt unter Druck

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