Europa-Kolumne Die Mafia hat es auf den EU-Wiederaufbaufonds abgesehen

Jede Woche analysiert Moritz Koch, Leiter des Handelsblatt-Büros in Brüssel, im Wechsel mit anderen Brüsseler Korrespondenten Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der EU. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: [email protected]
Wenn die Mafia und ihre Jäger irgendetwas verbindet, dann ist es das Motto: Folge dem Geld. Und natürlich wissen beide Seiten, woher das Geld bald kommen wird. Aus Brüssel nämlich. 750 Milliarden Euro - das ist die Summe, mit der die EU-Kommission Europa nach der Pandemie wieder auf Trab bringen will.
Der Kontinent soll grüner, digitaler und dynamischer werden. Die EU nimmt dafür in den nächsten Wochen zum ersten Mal in ihrer Geschichte im großen Stil Kredite auf. Von Juli an, so der Plan, soll das Geld unter den Mitgliedstaaten verteilt werden.
Doch was, wenn Teile der Hilfen in dunklen Kanälen versickern? Was, wenn sich die Mafia an den Milliarden bereichert? Wie ernst diese Sorge in Brüssel genommen wird, zeigt die Tatsache, dass die EU eine eigene Institution ins Leben ruft, die den drohenden Missbrauch eindämmen soll.
Die europäische Staatsanwaltschaft, die bisher nur auf dem Papier existierte, nimmt am 1. Juni 2021 ihre Arbeit auf. Das European Public Prosecutor’s Office (EPPO) mit Sitz in Luxemburg ist die erste supranationale Anklagebehörde. Ihre Aufgabe: Betrug aufdecken, wenn Geld aus Brüssel fließt.
Anders als nationale Staatsanwaltschaften kann das EPPO grenzüberschreitend ermitteln. Anders als die europäische Antikorruptionsbehörde Olaf kann es nicht nur Berichte schreiben, sondern Gesetzesbrecher auch vor Gericht ziehen.
„Wir reden hier nicht von Kleinkriminalität, wir reden von organisiertem Verbrechen“, stellt Laura Kövesi klar. Ihren Namen wird man sich merken müssen. Die Rumänin hat sich im eigenen Land Verdienste als Korruptionsbekämpferin erworben – und wurde dafür von der Regierung in Bukarest abgestraft. Als Europas Chefanklägerin steht Kövesi jetzt vor ihrem Comeback.
Die Pandemie ruft überall Betrüger auf den Plan, auch im Bundestag, wie die Maskenaffäre der Unionsparteien zeigt. Der Ausnahmezustand trifft auf Netzwerke, die wenig Skrupel und viel Expertise bei der Veruntreuung von Staatsgeld haben.
Italien erhält größte Summe aus Wiederaufbaufonds
In Süditalien versteht sich die Mafia schon länger darauf, Strukturhilfen anzuzapfen, die Brüssel in abgehängte Regionen überweist. Als sich der Mafia-Experte Vincenzo Musacchio kürzlich mit der Schätzung zitieren ließ, dass zwischen 2015 und 2020 etwa 35 Milliarden Euro aus EU-Mitteln in die Hände der Mafia geriet, war die Aufregung in Brüssel groß. Die Kommission widersprach vehement. Es wird zu Kövesis Aufgaben zählen, Licht in dieses Dunkel zu bringen.
Italien erhält mit etwa 200 Milliarden Euro die größte Summe aus Europas Wiederaufbaufonds. Und die Mafia hat vorgesorgt, wie italienische Behörden warnen. Gezielt soll sie in den vergangenen Monaten in kleine und mittlere Unternehmen eingestiegen sein, die von Wiederaufbaumitteln profitieren dürften. Europol-Direktorin Catherine De Bolle sprach kürzlich in Rom von einer „zunehmenden Infiltration“ der Wirtschaft.
Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch darum, ob es die EU ihren Kritikern zeigen und den Vertrauensvorschuss rechtfertigen kann, den die kollektive Schuldenaufnahme bedeutet. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach im vergangenen Jahr von Europas „Hamilton-Moment“.
Gerade auch von Kövesi und ihrem Ermittlerteam wird es abhängen, ob den Europäern in ein paar Jahren immer noch der Gründungsvater der Vereinigten Staaten in den Sinn kommt, wenn sie über das historische Hilfsprogramm sprechen – und nicht eine ganz andere Figur aus der US-Geschichte: Al Capone.
Mehr: Die Pandemie hat den Populismus nur kurzfristig geschwächt.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Wenn junge Leute keine Arbeitsplätze finden, eine Arbeitslosenversicherung jedoch fehlt, gehen nicht wenige zur Mafia. Das kann auch älteren Arbeitnehmern passieren, die ihren Arbeitsplatz verlieren und sie niemand will, außer die Mafia gelegentlich. Für einen Teil der Arbeitnehmer sollte es staatlich geführte Fabriken geben, z.B. in der Textilindustrie, die z.B. Schulkleidung herstellen, die kostenlos abgegeben wird an Schulpflichtige. Kindergeld um diese Beträge kürzen. Das wäre nicht gegen, sondern eher im Sinne eines kapitalistischen Systems, in dem alle an der Wertschöpfung teilnehmen müssen. Für Nichtstun sollte es kein Geld geben, Leistungsschwache, die es immer geben wird, könnten halbtags arbeiten. Die staatlichen Firmen sollten ca. 250 Euro über den Sozialsätzen + Fahrtkosten zahlen, um Anreize zu schaffen. Die Mafia wäre dann nicht mehr so attraktiv, denn es besteht das hohe Risiko der Gefängnishaft, wo man dann vielleicht auch nähen muss, dann aber unfrei. Wirkt auch stark gegen Clan-Gesellschaften. Das erträgliche Minus der Fabriken trägt der Staat, wie er andererseits die hohen Kosten für Gefängnisse bezahlt, außerdem wird Kindergeld gespart. Bisher entschied man sich eher für Modelle der höchsten Kosten, als etwas nachzudenken.
Bei diesen Summen ist bestimmt nicht nur die Mafia an einem Abschöpfen der Geldströme interessiert. Und die europäische Staatsanwaltschaft wird selbst zum Ziel für eine Infiltration. Es wäre nicht neu, dass der Kontrolleur kontrolliert wird.