Europa Kolumne Gegen Rindfleisch- und Soja-Importe: Wie die EU den Kahlschlag der Regenwälder stoppen will

Jede Woche analysiert Moritz Koch, Leiter des Handelsblatt-Büros in Brüssel, im Wechsel mit anderen Brüsseler Korrespondenten Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der EU. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: [email protected]
Brüssel Unter den Katastrophenmeldungen der vergangenen Tage, der zerstörerischen Flut in Deutschland und der Todeshitze in Kanada, ist eine kaum beachtet worden, vielleicht ist sie die folgenschwerste: Der Amazonas-Regenwald stößt mehr CO2 aus, als er bindet, wie eine neue, in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte Studie ergeben hat. Der Urwald, der eigentlich Treibhausgase speichern und den Klimawandel verlangsamen soll, trägt damit zu seiner Beschleunigung bei, so die Warnung der Wissenschaftler.
Brandrodungen sind ein wichtiger Grund dafür – und eine Mitverantwortung dabei tragen die Europäer. Der Wald muss weichen, damit Platz für Rinderherden und Sojafelder entstehen kann und Kühltheken in europäischen Supermärkten gut bestückt bleiben. Nach einer Untersuchung des WWF gehen 16 Prozent der weltweiten Tropenwaldabholzung auf das Konto der EU.
Dieser Verantwortung will sich Brüssel stellen. Die Kommission arbeitet an einem Gesetz, „das die Beschaffung von Waren aus Abholzungsregionen verbieten würde“, wie der für Handels- und Wirtschaftspolitik zuständige Kommissionsvize Valdis Dombrovskis dem Handelsblatt kürzlich erläuterte. Im Herbst soll der Reformvorschlag präsentiert werden.
Der Gedanke dahinter ähnelt dem Lieferkettengesetz, das die Große Koalition im Juni verabschiedet hat. Handelsketten sollen nachweisen, dass ihre Produkte nicht zur Entwaldung beitragen – so wie Firmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern künftig belegen sollen, dass ihre Geschäftspartner im Ausland elementare Menschenrechte achten.
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Eigentlich arbeitet auch die EU an einem Lieferkettengesetz. Es soll neben Menschenrechten auch den Umweltschutz umfassen. Diese „horizontale Gesetzgebung“ reicht der Kommission jedoch nicht, die Behörde will sie mit der Anti-Entwaldungs-Initiative durch ein „sektorales“ Gesetz ergänzen – wegen der besonderen Problematik der globalen Abholzung, wie es in Brüssel heißt.
Besänftigung der Kritiker des Mercosur-Deals
Klar ist aber auch, dass es noch ein anderes Motiv für das EU-Gesetz gegen die Entwaldung gibt: Die Kommission sucht nach Wegen, die Kritiker ihres Handelsdeals mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten zu besänftigen.
Hinter den Kulissen wird schon heftig darum gerungen, es schlägt die Stunde der Lobbyisten. „Der Teufel steckt im Detail“, sagt die Grünen-Europapolitikerin Anna Cavazzini. „Nur wenn das Gesetz strenge Regeln vorgibt und Entwaldung klar definiert wird, kann es etwas bewirken.“
Greenpeace warnt, dass die Agrarlobby es darauf abgesehen hat, das Gesetz zu verwässern. Doch auch in der Wirtschaft findet ein Umdenken statt. Elf große europäische Handelsketten, darunter die deutsche Metro AG, haben die EU aufgefordert, ihre Regulierungsmacht zu nutzen, um internationale Regeln gegen Brandrodungen zu erzwingen.
Die vergangenen Tage haben gezeigt, wie wichtig der Kampf gegen die Klimakrise ist. Eine einzelne Flut lässt sich nicht auf die Erderwärmung zurückführen, Häufung und Heftigkeit von Überschwemmungen aber schon. Wenn Europa dem Amazonas dabei hilft, wieder mehr CO2 zu speichern, schützt es damit auch sich selbst.
Mehr: Korruptionsbekämpfung in der EU: Steine aus dem Glashaus
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Endlich wird dieses Thema mal angegangen. Hoffentlich werden auch nicht die Palmölplantagen in Südostasiens Regenwäldern vergessen.