Geoeconomics: Geht es um Zölle, denkt Trump in erster Linie an China

„Es ist kein normaler Zustand für die Welt, dass es eine unipolare Macht gibt“, sagte US-Außenminister Marco Rubio kürzlich in einem Interview mit der ehemaligen Fox-Moderatorin Megyn Kelly und fügte hinzu: „Vielleicht kehren wir zu einem Zustand zurück, in dem es wieder Multipolarität gibt, verschiedene große Mächte in verschiedenen Teilen der Welt.“
Diese hier in Europa wenig beachtete Aussage ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist die Feststellung, dass Unipolarität, also die Existenz einer globalen Macht, die allen anderen Mächten an wirtschaftlichem und militärischem Machtpotenzial überlegen ist, eine Anomalie darstellt.
Zum anderen ist sie aus Rubios Sicht auch kein wünschenswerter Zustand und damit zunächst einmal eine Absage an die Rolle der USA als stärkste Macht im internationalen System. Dies ist insofern bemerkenswert, als historisch betrachtet kein Staat, der eine solch herausragende Stellung im internationalen System innehatte, freiwillig auf diese Position verzichtete.
Weder Großbritannien im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch die Sowjetunion im 20. Jahrhundert haben ihre Machtpositionen im internationalen System aufgegeben, sondern sind aus ihnen verdrängt worden. Staaten, die viel Macht haben, wollen in der Regel noch mehr.
Sie wollen ihre Position halten und ausbauen. Denn nur so, so glauben sie, sind sie sicher. Und aus dieser Grundüberlegung heraus sind sie auch bereit, die zum Teil enormen militärischen, wirtschaftlichen und politischen Kosten zu tragen, die mit einer herausgehobenen Position im internationalen System (sei es uni-, bi- oder multipolar) verbunden sind.
Und Rubios Aussage deckt sich mit diversen Aussagen, die sein Boss, Donald Trump, immer wieder getätigt hat. Der Mann im Weißen Haus sieht die Welt durch eine multipolare (genauer gesagt tripolare) Brille, in der Russland, China und die USA Einflusssphären haben und zusammen in einem Konzert der Mächte globale Ordnungsfragen verhandeln und der Rest der Welt sich dann mehr oder weniger zu fügen hat.
So weit, so gut könnte man meinen. Zwar ist es historisch eher ungewöhnlich, dass ein Staat sich freiwillig aus der Champions League der Staaten in die Bundesliga relegieren lässt, aber wenn es so ist, dann ist es so.
Wären da nicht die Handlungen der US-Administration, die eigentlich eine andere Sprache sprechen, nämlich die der Unipolarität.
Der US-Präsident betont immer wieder, dass es sein oberstes Ziel sei, Amerika wieder groß zu machen, und diesem Ziel diene zum Beispiel der Handelskrieg, den er derzeit vom Zaun bricht. Auch hat er kürzlich betont, wie wichtig es sei, das US-Militär wieder stark zu machen, denn, so ein Zitat: „Es gibt viele böse Staaten da draußen.“ Und um sie wieder stark zu machen, würde er mehr Geld in die US-Streitkräfte investieren als jeder seiner Vorgänger.
Und wenn Trump von Zöllen oder Streitkräften spricht, hat er ein Land im Blick: China. Diesen Giganten gilt es zu schwächen und seinen Aufstieg zu einer globalen Supermacht zu verhindern, die am Ende vielleicht stärker sein könnte als die USA.
Das alles, Sie ahnen es, klingt nicht nach dem Wunsch nach einer multipolaren Welt, in der die USA eine von drei bestimmenden Mächten sind, sondern es klingt nach einer Welt, die weiterhin von überragender amerikanischer Macht dominiert wird.
Der Elefant im Porzellanladen
Dabei übersieht die US-Administration jedoch, dass Amerika zur Erreichung seines Ziels, die unipolare Position der USA zu festigen und auszubauen, Partner braucht, die bereit sind, sich der amerikanischen Führung unterzuordnen, oder anders gesagt, die bereit sind, sich führen zu lassen, weil sie sich von der amerikanischen Unipolarität den einen oder anderen wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen Vorteil versprechen.
Und hier verhält sich die Trump-Administration wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Denn Verbündete und Partner zählen nicht, potenzielle Gegner schon gar nicht.



Langfristig werden die USA damit aber nicht ihr Ziel erreichen, sondern ehemalige Partner und Verbündete dazu zwingen, sich den heutigen Gegnern anzunähern oder zu versuchen, eigene, unabhängige Positionen aufzubauen.
Man kann also festhalten, Amerika redet mit einer Zunge, handelt aber mit einer anderen, und zwar so sprunghaft, dass es am Ende des Tages sein eigentliches Ziel, die Unipolarität, verfehlen und dort enden könnte, wo es nicht enden will, nämlich in der Multipolarität.
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