Globale Trends: Parallel-Gesellschaften durch Zuwanderer? Der Heiratsmarkt regelt das

Handelsblatt-Autor Thomas Hanke analysiert in der Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt.
Eine gute Nachricht für alle, denen der Zusammenhalt unserer Gesellschaft etwas bedeutet: Der Kampf der Kulturen findet nicht statt. Migranten und ihre Nachkommen in Deutschland wie in Frankreich neigen nicht dazu, sich in Parallelgesellschaften abzukapseln. Sie vermischen sich mit der Mehrheitsgesellschaft, wie Studien des Statistischen Bundesamts, des französischen Statistikamts Insee und des Instituts für demografische Studien, Ined, zeigen.
Das ist schlichte Statistik. Aber zugegebenermaßen eine, die wenig beachtet wird. Illegale Zuwanderung und die vermeintlich mangelnde Abschiebung von Illegalen dominieren die politische Debatte. So auch jetzt wieder bei der Reform des Einwanderungsrechts: Die erleichterte Zuwanderung von Fachkräften soll politisch schmackhafter gemacht werden durch das Versprechen, Illegale verstärkt abzuschieben.
In Frankreich bereitet Präsident Emmanuel Macron eine sehr ähnliche Reform vor. In beiden Ländern werden dagegen die realen Integrationsleistungen der nicht im Inland Geborenen wie auch der aufnehmenden Gesellschaften wenig gewürdigt.
Eine davon ist die Verbindung von Menschen „mit Migrationshintergrund“ – Personen, die selbst als Ausländer geboren sind, oder bei denen mindestens ein Elternteil als Ausländer geboren ist – mit der schon länger ansässigen Bevölkerung.
Dabei lässt sich eine weitergehende Form der Integration, als mit einem deutschen Lebenspartner ein Paar zu bilden, kaum vorstellen. Darin dürften Gegner wie Befürworter von Zuwanderung wohl übereinstimmen.
Kein Trend zu Parallelgesellschaften
Würde die These vom Trend zu Parallelgesellschaften stimmen, dann käme es nur in Ausnahmefällen zu diesen Verbindungen. Als Ausländer Geborene und ihre Nachkommen würden wie in einem Reservat stets in ihrer selben Kultur oder Ethnie heiraten.
In Gesellschaften wie der US-amerikanischen ist das möglicherweise der Fall. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass die US-Statistik die Bevölkerung immer noch nach ethnischer Herkunft unterteilt. Jeder Befragte entscheidet, wie er sich einordnet: Weiß, Schwarz, Hispanic. Und diese unterschiedlichen Klassifizierungen sind stabil, Schattierungen gibt es per Definition nicht.
In Frankreich und Deutschland dagegen sieht es völlig anders aus. „Von Generation zu Generation nimmt die Vermischung der Paare zu“, stellen die Insee-Forscher wie auch die des Ined in einer 2022 erschienenen Untersuchung fest.
Während sich die unmittelbar Zugewanderten zu 27 Prozent mit einer „eingeborenen“ Französin oder einem Franzosen zusammentun, sind es in der zweiten Generation bereits 66 Prozent. In der dritten Generation haben 90 Prozent nur noch einen ausländischen Großelternteil.
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Zusammen stellen die Zugwanderten und ihre Kinder in Frankreich bereits ein Drittel der Bevölkerung, in Deutschland sind es sogar 38 Prozent.
Zeichen stehen auf Fusion statt Kampf der Kulturen
Hierzulande zeigt sich ein ähnlicher Trend wie in Frankreich. „Tendenziell kann man sagen, dass in Deutschland die Zahl der Ehen zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund zunimmt“, sagt das Statistische Bundesamt. Das zeigt sich deutlich, wenn man Personen „mit eigener Migrationserfahrung“ – sie sind selber zugewandert – unter die Lupe nimmt.
In den ersten fünf Jahren ihres Aufenthalts bleiben die meisten von ihnen demnach ledig. Diejenigen, die schon länger als 15 Jahre hier leben, sind überwiegend (54 Prozent) verheiratet. Davon sind drei Viertel mit einer oder einem Deutschen verbunden, nur 26 Prozent mit Ausländern. Die Zeichen, so implizieren die Zahlen, stehen auf Fusion statt Kampf der Kulturen.
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Das heißt nicht, dass automatisch alles zum Besten bestellt ist. Es gibt zu viele Kinder mit Migrationshintergrund, die beispielsweise erhebliche Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben. Allgemeingültigkeit hat das allerdings nicht.





In Großstädten sind Grundschulen mit 90 Prozent Kindern von Zugewanderten trotzdem keine Ausnahme mehr – und so bleiben Hürden bei der Kommunikation. Damit kann man umgehen. Das setzt aber voraus, dass wir über E-Fuels für Sportwagen nicht mehr intensiver diskutieren als über die nächste Generation der Menschen in unserem Land.
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