Globale Trends 100 Milliarden Dollar versprochen, nur wenig gezahlt: Industrieländer lassen ärmere Staaten beim Klimaschutz allein
Mehr als zwei Milliarden Impfdosen bis Ende 2022 und 100 Milliarden Dollar noch in diesem Jahr: Das sind die beiden wichtigsten Versprechen des gerade zu Ende gegangenen G7-Gipfels für die ärmeren Länder der Welt. Den Staats- und Regierungschefs der sieben reichsten Industrienationen (G7) geht es dabei nicht nur um praktizierte Nächstenliebe, sondern um das Wohlergehen ihrer eigenen Nationen: Die Pandemie und der Klimawandel können nur erfolgreich bekämpft werden, wenn Vakzine und viel Geld vom reichen Norden in den ärmeren Süden fließen.
Die reichen Industrienationen haben deshalb schon beim Klimagipfel 2009 zugesagt, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutzmaßnahmen in ärmeren Ländern aus öffentlichen und privaten Quellen zur Verfügung zu stellen. 2015 in Paris hat man das jährliche Ziel bis 2025 erweitert. Was allerdings bisher fehlt, ist das Geld. Auch beim G7-Gipfel blieb es beim Versprechen. Konkretere Zusagen gab es nicht.
Die massive Finanzhilfe für den Klimaschutz geschieht aus historischer Verantwortung und aus pragmatischem Eigeninteresse. Ein Großteil der Emissionen der Vergangenheit geht auf das Konto der Industrieländer. Heute dagegen kommt der Löwenanteil klimaschädlicher Treibhausgase von den Schwellen- und Entwicklungsländern, von denen sich viele in einer rasanten Industrialisierungsphase befinden. Hinzu kommt, dass die Vorboten der Klimakrise wie Überschwemmungen, Stürme und Dürre vor allem den armen Süden heimsuchen, was die Betroffenen nicht selten zur Klimaflucht Richtung Norden treibt.
Für den Klimaschutz ist es deshalb entscheidend, dass die reichen Länder ihr Versprechen halten. „Ohne eine hinreichende finanzielle Unterstützung dieser Länder lässt sich das im Pariser Abkommen gesetzte Ziel, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter zwei Grad und möglichst unter 1,5 Grad zu halten, nicht erreichen“, konstatiert das Bundesumweltministerium. Mit anderen Worten: Entweder wir helfen, oder uns ist nicht mehr zu helfen.
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Genaue Zahlen darüber, wie weit die Reichen von ihrer 100-Milliarden-Zusage entfernt sind, gibt es nicht. Die letzten Angaben, die bei der OECD in Paris, dem Wirtschaftsklub der reichen Länder, gesammelt werden, stammen von 2018 und zeigen einen stetigen Anstieg auf knapp 78 Milliarden Dollar. Der positive Trend hat sich jedoch offenbar nicht fortgesetzt. „Wir haben viel Zeit und Geld verloren“, sagte der amerikanische Klimabeauftragte John Kerry kürzlich bei einem Besuch in Berlin und räumte ein, dass man noch weit entfernt davon sei, in diesem Jahr das 100-Milliarden-Ziel zu erreichen.
Kohlekraftwerke müssen vom Netz
Warum die Finanzhilfen so wichtig sind, zeigt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrer neuen „Road Map Net Zero by 2050“: Sollen die globalen Klimaziele erreicht werden, müssen bis 2040 alle verbleibenden Kohlekraftwerke der Welt geschlossen oder mit Kohlenstoffabscheidungstechnologie nachgerüstet werden. Neue Kohlekraftwerke dürften ab sofort nicht mehr genehmigt werden.
Nach Angaben des britischen Online-Newsletters „Carbon Brief“ hat sich jedoch die globale Kapazität von kohlebefeuerten Kraftwerken seit dem Jahr 2000 auf mehr als 2000 Gigawatt verdoppelt. Weitere 500 Gigawatt befinden sich im Bau oder in Planung. Das größte Wachstum kommt dabei aus China und Indien, aber auch führende Industrieländer wie die USA und Deutschland nutzen weiterhin den fossilen Brennstoff. Immer noch werden fast 40 Prozent der weltweit erzeugten Elektrizität durch Kohleverfeuerung hergestellt. 80 Länder betreiben Kohlekraftwerke, das sind 14 mehr als vor 20 Jahren.
Der Abschied von der Kohle und anderen fossilen Brennstoffen erfordert zunächst einen teuren technologischen Wandel hin zu erneuerbaren Energien. Die Hälfte der bis 2050 notwendigen Emissionskürzungen muss nach Einschätzung der IEA von neuen Technologien kommen, die sich wie etwa der Einsatz von Wasserstoff noch in der Entwicklung befinden.
Neue Technologien sind der Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele
Mindestens genauso groß sind die sozialen Herausforderungen – gerade in den ärmeren Ländern. Zwar könnten durch grüne Technologien weltweit 30 Millionen neue Jobs entstehen, zugleich würden aber etwa fünf Millionen Menschen in der Kohle- und Gasindustrie ihre Arbeitsplätze verlieren. Hinzu kommt, dass nach IEA-Angaben in den ärmeren Teilen der Welt noch immer 785 Millionen Menschen ohne Elektrizität leben. Will man diese Menschen nicht einfach ihrer Armut überlassen, muss man ihnen in einer klimaneutralen Welt eine Perspektive auf ein besseres Leben bieten. Und das kostet.
Umso wichtiger ist es, dass die reichen Länder trotz all ihrer eigenen Probleme ihr 100-Milliarden Versprechen einhalten. Die Klimakonferenz in Glasgow im November sei die „letzte große Hoffnung“, noch rechtzeitig die Erderwärmung bei einem Plus von 1,5 Grad zu halten, warnt John Kerry.
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