Globale Trends China öffnet die Schatztruhe seiner Sparer für die Wall Street
Wenn es darum geht, seinen Worten Taten folgen zu lassen, haben die Amerikaner einen bewährten Gradmesser: „Put your money where your mouth is!“ Daran gemessen ist die amerikanische China-Politik bestenfalls halbherzig. Mit weniger Wohlwollen kann man sie auch als scheinheilig kritisieren.
Allen Verbalattacken und Decoupling-Drohungen der US-Regierung zum Trotz gibt es eine Schlüsselbranche in den USA, die in der aktuellen geopolitischen Konfrontation zwischen den Großmächten in Deckung bleibt, um mit dem „strategischen Rivalen“ in Peking ihre lukrativen Geschäfte auszubauen: die Wall Street. Für die großen amerikanischen Banken und Vermögensverwalter ist der immer noch unterentwickelte chinesische Finanzmarkt mit einem Privatvermögen von fast 75 Billionen Dollar wie ein Lockruf zum Goldschürfen.
Die vergangenen Wochen und Monate haben den Widerspruch zwischen politisch verordneter Entkoppelung und finanzieller Verbundenheit zwischen den beiden Supermächten noch deutlicher gemacht. Gerade hat Joe Biden chinesische Hacker für einen Angriff auf Microsoft-Server verantwortlich gemacht und zusammen mit Verbündeten in Europa, Nordamerika und Asien eine Cybersicherheitsallianz geschmiedet.
Kurz zuvor hatte der US-Präsident amerikanische Firmen und Investoren gewarnt, dass die Sicherheitsrisiken insbesondere am Finanzplatz Hongkong enorm gestiegen seien, seitdem Peking die persönlichen und wirtschaftlichen Freiheiten in der ehemaligen britischen Kronkolonie immer weiter einschränkt. „Die Unternehmen sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Risiken auf dem Festland Chinas jetzt zunehmend auch in Hongkong drohen“, warnte das Weiße Haus.
Obwohl auch die US-Finanzbranche die Eingriffe Pekings in den Rechtsstaat Hongkongs mit Sorge sieht, planen Großbanken wie die Citigroup und Goldman Sachs, ihre Präsenz in der Sonderverwaltungszone und auf dem Festland Chinas weiter auszubauen. Goldman ist dabei wie so oft der Pionier der Wall Street: Ende Mai erhielt die Investmentbank von der chinesischen Regierung die Genehmigung für ein Joint Venture mit der Industrial and Commercial Bank of China (ICBC).
Dadurch bekommen die Goldmänner Zugang zu fast 700 Millionen Kunden der ICBC, die ihre Ersparnisse bislang fast nur in Immobilien oder bargeldnahen Investments angelegt haben. Für die Finanzprofis von der Wall Street ist das wie ein großer Rummelplatz, auf dem sie die Kundschaft mit ihren ausgeklügelten Investmentprodukten in den Bann ziehen können.
Aus dem gleichen Grund hatte sich bereits zuvor der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock mit der China Construction Bank zusammengetan. Auch europäische Asset-Manager wie Schroders haben die Goldader der chinesischen Sparer entdeckt.
Expertise der US-Finanzprofis soll Chinesen bei der Altersvorsorge helfen
Dass Peking die goldberauschten Wall-Street-Banker mit offenen Armen empfängt, hat einen einfachen Grund: Will die Parteiführung die schnell alternde Gesellschaft nicht in eine demografische Armutsfalle laufen lassen, braucht sie die Investmentexpertise der US-Finanzprofis. Deshalb hat Staatschef Xi Jinping der noch von der Trump-Administration geforderten Öffnung des Finanzmarktes für US-Firmen in der Phase I des neuen Handelsabkommens zugestimmt.
Für Trumps Nachfolger Biden sind die finanziellen Bande der Wall Street ins Reich der Mitte ein Dilemma. Mit seiner kürzlich angekündigten Prüfung globaler Lieferketten will der US-Präsident eigentlich die Abhängigkeit der amerikanischen Wirtschaft vom geopolitischen Rivalen verringern. Schlüsselindustrien wie die Chip-, Batterie- und Pharmabranche werden offen aufgefordert, künftig vermehrt in den USA zu investieren.
Soll der auf Wahlkampfspenden von der Wall Street angewiesene Biden für die Banker eine Ausnahme machen? Jake Sullivan, Bidens nationaler Sicherheitsberater, fragte im vergangenen Jahr noch lakonisch: „Warum sollte es für uns eine Priorität sein, Chinas Finanzsystem für Goldman Sachs zu öffnen?“ Das war jedoch, bevor Biden und er im Weißen Haus saßen.
Die Wall Street selbst ist sich des Dilemmas wohl bewusst und versucht, die politische Klippen im China-Geschäft zu umschiffen: Manchmal werde man kooperieren, manchmal konfrontativ vorgehen, sagt Goldman-Chef David Salomon salomonisch.
In Peking sieht man das ganz ähnlich: Für die US-Banken öffnet man die Schatztruhe der chinesischen Sparer, Börsengängen chinesischer Techfirmen an der Wall Street hat man dagegen gerade den regulatorischen Riegel einer Cybersicherheitsprüfung vorgeschoben.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
In den USA gilt der Spruch: "Erst das Fressen, dann die Moral" uneingeschränkt.
In Deutschland und Leyen-EU gilt: "Erst die Ideologie, dann die Moral, dann noch lange nichts und vielleicht irgendwann mal das Fressen - der Wohlstand".
Dies ist ein freundlicher Hinweis darauf, dass die USA deutlich einfachere, verständlichere Regeln haben, als D oder EU - und wirksamere.
In D und EU gilt die Bürokratie vielleicht zum Wohle der Welt, in USA der Pragmatismus sicher zum Wohle USA.