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Globale Trends Die Europäer sehnen sich nach strategischer Souveränität – der grüne Kapitalmarkt ist ihre große Chance

Der Kapitalbedarf für den „Green Deal“ ist riesig. Herkömmliche Bankkrediten reichen da nicht. Die enormen Mittel lassen sich nur über einen europäischen Kapitalmarkt generieren.
06.09.2021 - 19:06 Uhr Kommentieren
Russland: Warum Wladimir Putin die EU mehr fürchtet als die Nato Quelle: Klawe Rzeczy
Globale Trends

Handelsblatt-International-Correspondent Torsten Riecke analysiert jede Woche in seiner Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Sie erreichen ihn unter [email protected].

(Foto: Klawe Rzeczy )

Was hat das Greenwashing-Debakel der DWS-Vermögensverwalter mit Geopolitik zu tun? Einiges, wenn man genau hinschaut. Europa ist nicht zuletzt deshalb ein Scheinreise der Weltpolitik, weil es über seine militärischen und politischen Schwächen lamentiert, statt seine wirtschaftlichen und finanziellen Stärken auszuspielen. Geld regiert die Welt, heißt es im Volksmund nicht zu Unrecht. Genauer gesagt: Grünes Geld bestimmt unsere Zukunft.

Es hat im 21. Jahrhundert bislang drei globale Krisen gegeben: Die Finanzkrise von 2008, die Pandemie von 2020 und die drohende Klimakatastrophe, deren Vorboten die Hitzewellen, Fluten und Stürme dieses Jahres sind.

In der Finanzkrise war Europa naives Opfer amerikanischer Exzesse und eigener Gier. Das Coronavirus hat Europa wirtschaftlich stärker getroffen als sein vermutliches Herkunftsland China und die bereits wieder boomenden USA.

Im Kampf gegen die Klimakrise, die alles in den Schatten stellen könnte, hat Europa mehr als nur sein eigenes Schicksal in der Hand. Hier können die Europäer erstmals über jene „strategische Souveränität“ verfügen, nach der sie sich so sehr sehnen.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sie ihren globalen Vorsprung bei nachhaltigen Investitionen zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft mit einer grünen Kapitalmarktunion in der EU nicht nur verteidigen, sondern weiter ausbauen.

Die Ratingagentur Moody’s rechnet in diesem Jahr mit Rekordemissionen grüner Anleihen von weltweit 450 Milliarden Dollar nach knapp 270 Milliarden im vergangenen Jahr. Der Löwenanteil der Green Bonds entfällt auf Europa, gefolgt von den USA und China.

Und auch Deutschland mischt auf diesem Markt kräftig mit: In den kommenden Tagen wird der Staat eine neue zehnjährige grüne Bundesanleihe im Volumen von 3,5 Milliarden Euro begeben. Kurz danach folgt die EU mit ihrer ersten grünen Anleihe.

Knapp ein Drittel des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds der Gemeinschaft soll nach dem Willen der Kommission durch Green Bonds finanziert werden. Für Finanzstaatssekretär Jörg Kukies wäre das der Türöffner für eine „europäische Kapitalmarktunion“.

Der Kapitalbedarf für den „Green Deal“ ist riesig. Nach Berechnungen der Europäischen Zentralbank (EZB) muss Europa jedes Jahr rund 330 Milliarden Euro investieren, um seine Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Mit herkömmlichen Bankkrediten, mit denen sich noch immer 70 Prozent der europäischen Unternehmen finanzieren, ist das nicht zu leisten. Die enormen Mittel lassen sich nur über einen europäischen Kapitalmarkt generieren.

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Nach Meinung des ehemaligen Bundesbank-Chefs und heutigen Verwaltungsratsvorsitzenden der UBS, Axel Weber, müsste der grüne Kapitalmarkt in der EU ein Volumen von mindestens 100 Milliarden Euro haben. Nur so könne sich Europa gegenüber den USA und China behaupten. „Entweder du sitzt bei Tisch, oder du stehst auf der Menükarte“, betonte Weber kürzlich beim European Forum Alpbach die geopolitische Bedeutung einer europäischen Kapitalmarktunion.

Will Europa nicht auf der Speisekarte von Amerikanern und Chinesen landen, muss die EU aus Sicht der internationalen Investoren zunächst ihr Haus in Ordnung bringen. Womit wir wieder beim Fall der DWS und dem wachsenden Misstrauen von Anlegern und Aufsichtsbehörden sind, dass nicht alles grün ist, wo grün draufsteht.

Europa braucht ebenso einheitliche wie weitreichende Offenlegungspflichten für Unternehmen, damit die Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten überprüft und gewährleistet werden kann. Der gerade von der EU veröffentlichte „Green Bond Standard“ kann helfen, die sich auftuende Glaubwürdigkeitslücke wieder zu schließen und Europa zum globalen Taktgeber für grüne Investitionen zu machen.

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Ob Europa seinen Startvorteil auch strategisch nutzen kann, um sein geoökonomisches Gewicht zu erhöhen, hängt aber auch davon ab, ob es gelingt, mit den von der EU ausgegebenen „Green Bonds“ den Grundstein für eine sichere Anlageklasse in Europa zu schaffen, die es international auch mit US-Staatsanleihen aufnehmen kann. Nur dann kann der Euro zu einer echten Alternative zum Dollar werden. Und nur dann kann Europa sein wirtschaftliches Gewicht in die geopolitische Waagschale werfen.

Es gehört zu den chronischen Widersprüchen europäischer Politik, dass diejenigen, die die Machtlosigkeit Europas in der Welt am lautesten beklagen, of auch diejenigen sind, die durch nationale Engstirnigkeit verhindern, dass Europa seine finanziellen Stärken ausspielt.

Mehr: Nachhaltige Investments: Die grüne Illusion

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