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Globale Trends

Handelsblatt-International-Correspondent Torsten Riecke analysiert jede Woche in seiner Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Sie erreichen ihn unter [email protected].

(Foto: Klawe Rzeczy )

Kolumne – „Globale Trends“ Die Notenbanker stehen vor einem schier unlösbaren Dilemma

Dauerhaft hohe Inflationsraten und schwache Wachstumskräfte bringen die Währungshüter in eine Zwickmühle. Ihre einzige Hoffnung ist ein Produktivitätsschub.
23.08.2021 - 13:26 Uhr 1 Kommentar

(Jackson Hole hat unter Notenbankern den gleichen Klang wie Davos für Spitzenmanager. Auch wenn die wichtigsten Währungshüter wegen der Pandemie dieses Jahr wieder nicht in den Rocky Mountains wandern können, sondern sich nur virtuell treffen, ist ihnen die volle Aufmerksamkeit der Finanzmärkte gewiss. Geht es doch insbesondere um die Frage, wann Fed-Chef Jerome Powell den weit geöffneten Geldhahn der amerikanischen Notenbank sukzessive zudreht. Ein geldpolitischer Kurswechsel der USA könnte nicht nur in Amerika, sondern auch im Rest der Weltwirtschaft zu heftigen Zinsreaktionen und wirtschaftlichen Verwerfungen führen.

Vor zwei Jahren diskutierten die Zentralbanker noch unbeschwert von der Pandemie über die gleiche Frage – allerdings unter gänzlich anderen Vorzeichen. Das vom früheren US- Finanzminister Larry Summers entdeckte Gespenst einer „säkularen (dauerhaften) Stagnation“ geisterte durch die Köpfe der Geldwächter.

Jetzt warnt derselbe Summers angesichts astronomischer Konjunkturhilfen von 4,6 Billionen Dollar allein in den Industrieländern vor einem Inflationsschub. Viel gefährlicher als Summers' Schreckensszenario einer vom Staat ausgelösten, vorübergehenden Preiswelle ist jedoch das neue Gespenst einer säkularen Inflation, vor dem die britischen Ökonomen Charles Goodhart und Manoj Pradhan schon seit 2017 mahnen und das in diesen Tagen an der Wall Street herumgeistert.

Die beiden Briten sagen eine Umkehr globaler Trends voraus, die in den vergangenen Jahren für niedrige Lohnerhöhungen, geringe Preissteigerungen, einen weltweiten Überschuss an Ersparnissen und hohe Schulden gesorgt haben. Für dieses Gleichgewicht der Sorglosigkeit ist demnach vor allem eine demografische Entwicklung verantwortlich: die Zahl der weltweit Beschäftigten sei stärker gestiegen als die globale Bevölkerung. Das wiederum sei auf die Integration von Billiglohnländern wie China in die Weltwirtschaft zurückzuführen.

Diese säkularen Trends haben sich nach Meinung von Goodhart und Pradhan in ihr Gegenteil verkehrt: Globalisierung und Freihandel seien auf dem Rückzug, die Alterung wichtiger Volkswirtschaften von Japan über China bis nach Deutschland führe dazu, dass die Zahl der Konsumenten schneller wachse als die der arbeitenden Bevölkerung. Die Macht auf den Arbeitsmärkten verschiebe sich von der Nachfrage- zur Angebotsseite, der Lohndruck steige.


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All dies wiederum verstärke den Inflationsdruck, der von den enormen Konjunkturprogrammen erzeugt werde. Und anders als die bald auslaufenden Corona-Hilfen würden die säkularen Trends die globale Inflation dauerhaft nach oben treiben. Preissteigerungsraten von deutlich über fünf Prozent sind in diesem Szenario nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.

Die ökonomischen Folgen wären gravierend: Dauerhaft hohe Inflationsraten führen zu steigenden Zinsen und würden hochverschuldete Staaten, Unternehmen und Haushalte in die Bredouille bringen. Die Finanzpolitik stünde zudem vor dem doppelten Dilemma einer säkularen Stagflationsgefahr: sind doch die Ursachen für ein anämisches Wachstum der Wirtschaft nicht verschwunden und werden wieder wirksam, sobald dem künstlich erzeugten Corona-Boom die Puste ausgeht.

Hydra aus Verschuldung, Inflation und Zinsrisiken

Der von Goodhart und Pradhan ausgemachte Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung treibt nicht nur die Inflation an, sondern bremst auch das Wirtschaftswachstum. Hinzu kommen geringe Produktivitätszuwächse und ein sinkender Kapital- und Investitionsbedarf der digitalen Wirtschaft.

All das macht den Job der Notenbanker nahezu unmöglich. Sammeln sie ihre unkonventionellen Hilfen für die Wirtschaft nach und nach wieder ein und erhöhen dann auch noch sukzessive die Leitzinsen, riskieren sie einen Rückfall in den Negativtrend der säkularen Stagnation. Warten sie zu lange mit dem geldpolitischen Kurswechsel, können sie die Kräfte der säkularen Inflation nicht mehr bändigen. Selbst der von Summers gewiesene Ausweg verstärkter öffentlicher Investitionen scheint durch die Hydra von hoher Verschuldung, steigender Inflation und wachsenden Zinsrisiken versperrt.

Einziger Trost für die hin und her gerissenen Währungshüter: Die Weltwirtschaft ändert sich im Moment in so rasender Geschwindigkeit, dass auch die hier aufgezeigten säkularen Trends von anderen wieder verdrängt werden können. Ein Produktivitätsschub durch die Digitalisierung wäre das „Wirtschaftswunder“, das wir jetzt brauchen.

Mehr: Janet Yellen spricht sich für weitere Amtszeit von Fed-Chef Powell aus.

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1 Kommentar zu "Kolumne – „Globale Trends“: Die Notenbanker stehen vor einem schier unlösbaren Dilemma"

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  • Die Problemlage ist ziemlich einfach zu lösen und es wird auch so kommen. Der Finanzmarkt wird geteilt werden. Die Staatsbanken finanzieren künftig die Staaten mit Schöpfgeld, ohne Zinsen, so dass die Zinses-Zins-Falle entfällt und Inflation die Schulden entwerten wird. Die private ordinäre Wirtschaft muss jedoch weiter so leben wie bisher und an die sie finanzierenden Banken oder Aktionäre Zinsen zahlen. Anders ist die Problemlage nicht zu bewältigen. Das Gequatsche von Rückzahlung der Staatsschulden ist Unfug und unnötige Furcht-Mache. Staatsbanken müssen keine Zinsen kassieren und können Geld aus dem Nichts schöpfen, das man nicht zurückzahlen muss. Damit kann man alle EU-Infrastruktur-Investitionen zahlen und unsere marode Infrastruktur endlich modernisieren. China und Japan machen es schon so, dazu noch sehr erfolgreich. Europa ist noch borniert und schadet sich selbst ziemlich.

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