Homo oeconomicus: Gewerkschaftsbeitrag lässt Zahl der Steuererklärungen explodieren
Haben Sie schon daran gedacht, dass bald Ihre Einkommensteuererklärung für 2025 ansteht? Die meisten erfüllt der Gedanke daran nicht gerade mit großer Vorfreude. Denn für viele ist durchaus einiges an Arbeit zu erledigen: Steuerpflichtige in Deutschland wenden im Schnitt rund zehn Stunden für ihre Einkommensteuererklärung auf.
Das ist deutlich länger, als sich die Menschen in vielen anderen europäischen Ländern mit ihrer Steuererklärung beschäftigen müssen. In Norwegen beispielsweise würden Sie eine vorausgefüllte Steuererklärung zugesandt bekommen, die Sie nur noch kurz bestätigen oder anpassen müssten.
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Die Steuererklärung in Deutschland ist deswegen so zeitaufwendig, weil es viele Dinge gibt, die Sie von Ihrem steuerpflichtigen Einkommen abziehen können.
Ihre Tickets für die U-Bahn, die Rechnung für das Headset, das Sie im Homeoffice nutzen, den Beleg für den Französischkurs, den Sie auch für die Gespräche mit den Geschäftspartnern in Frankreich gemacht haben – all diese Belege müssen gesammelt, sortiert und in die Steuererklärung eingegeben werden. Zumindest, wenn Sie als Arbeitnehmer voraussichtlich Werbungskosten über dem Pauschbetrag von 1230 Euro anführen können.
Solange so viele Posten abzugsfähig sind, ist eine vorausgefüllte Steuererklärung ein unerreichbarer Traum. Um die Einkommensteuer zu vereinfachen, braucht es ein einfacheres Steuersystem: mehr Pauschalisierung und Typisierung, weniger Belegesammeln und Einzelfallgerechtigkeit.
Eine von der Ampelregierung eingesetzte Kommission und der wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium schlugen daher vor, verschiedene Abzüge zu einer Arbeitstagepauschale zusammenzuführen. Die Regierung Merz hat im Koalitionsvertrag zugesagt, diese Pauschale zu prüfen – und bei allen steuerrelevanten Vorhaben stärker auf Vereinfachung und Digitalisierbarkeit zu achten.
Vereinfachung versprochen, Komplexität geliefert
So viel zum Versprechen. Vergangene Woche hat der Bundestag das Steueränderungsgesetz 2025 beschlossen. Darin findet sich nichts in diese Richtung wieder. Im Gegenteil, und dies liegt an einer kleinen Änderung: Gewerkschaftsmitglieder sollen ihren Beitrag künftig zusätzlich zu bestehenden Pauschbeträgen vom zu versteuernden Einkommen abziehen können.
Das bedeutet, wer sein Recht nutzen und den Mitgliedsbeitrag absetzen will und nicht bereits eine Steuererklärung abgibt, muss ab dem kommenden Jahr eine Steuererklärung einreichen. Das werden einige sein: Ungefähr 30 Prozent der Steuerpflichtigen geben aktuell keine Steuererklärung ab, und ungefähr jeder sechste Arbeitnehmer ist in einer Gewerkschaft.
Die Überschneidung der beiden Gruppen dürfte substanziell sein. Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler, schätzt, dass es bis zu einer Million Arbeitnehmer sein könnten.
Ein schönes Beispiel, wie aus dem Vorsatz der Vereinfachung eine Regel wird, die den Bürokratieaufwand erhöht. Weil einige Politiker einer ihnen nahestehenden Gruppe eine Freude machen wollen. Leider ist das ein Muster, das sich wiederholt – auch bei deutlich größeren Posten.
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