Gastkommentar – Homo oeconomicus: Der Blackout in Texas ist ein Warnsignal auch für uns

Der US-Bundesstaat kämpfte gegen Stromausfälle und ungewöhnliche Kälte.
Der Zusammenbruch des texanischen Strommarkts ist eine Tragödie. Viele Menschen mussten sterben, Millionen mussten zum Teil tagelang ohne Stromversorgung ausharren. Hätten die Netzregulierer nicht schnell reagiert und rollierende Blackouts erzwungen, wäre sogar ein systemweiter unkontrollierter Ausfall der Stromversorgung möglich gewesen, der die Krise um viele Wochen verlängert hätte.
Eine zuverlässige Stromversorgung ist kein Selbstläufer. Der Klimawandel führt zu mehr extremen Wettersituationen, die den Strommarkt unter Stress setzen. Verkehr und Heizungen werden elektrifiziert, während gleichzeitig die unzuverlässige Wind- und Sonnenenergie ausgebaut wird. Und ohne ausreichende Vorsorge können auch Gas-, Kohle- und Kernenergieanlagen in extremen Wetterlagen ausfallen, wie das texanische Beispiel zeigt.
Einem Strommarkt, der auf sich allein gestellt ist, fehlen die Anreize für effiziente Investitionen in die Versorgungssicherheit. Diese hängen wesentlich von den Marktpreisen in Zeiten knapper Erzeugungskapazitäten ab, denn in solchen Stresssituationen hat die Zuverlässigkeit den höchsten Wert. Doch in Zeiten größter Knappheit, wenn die Nachfrage unfreiwillig abgeschaltet werden muss, gibt es keinen markträumenden Preis. In dieser kritischen Situation ist der Regulierer gefragt.
Der texanische Regulierer hat den Strompreis während der Krise auf 9000 US-Dollar pro Megawattstunde festgelegt. Normal sind 20 US-Dollar. Der sehr hohe Preis schafft Anreize, die Stromversorgung zuverlässiger zu machen. Ein Gaskraftwerk, das vor der Krise in seine Winterfestigkeit investiert hatte, konnte durch den hohen Krisenpreis in nur 100 Stunden viele Hundert Millionen Dollar extra verdienen.
Allerdings ist die Steuerung der Versorgungssicherheit durch solche Preisvorgaben eine fragile Angelegenheit: Menschen fällt es nicht leicht, sich rational auf extrem unsichere und selten auftretende systemische Risiken einzulassen – neben Texas ist die Covid-19-Pandemie ein Beispiel dafür.

Der Wirtschaftswissenschaftler lehrt seit 2003 als Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität zu Köln.
Extrem hohe Strompreise sind politisch nicht ohne Weiteres durchzuhalten und daher zuweilen kein glaubwürdiger Investitionsanreiz. Und die Anreizwirkung der festgesetzten Krisenpreise entfaltet sich in Zeiten von Blackouts, die ja gerade verhindert werden sollen. Beobachter empfehlen daher alternative Steuerungsmechanismen, etwa einen Kapazitätsmarkt – auch für Deutschland.




Dabei werden Vorgaben für eine zuverlässige Stromerzeugungskapazität gemacht, die das gewünschte Maß an Versorgungssicherheit gewährleistet und deren Schaffung und Entlohnung in einem wettbewerblichen Markt organisiert wird.
Märkte müssen sorgfältig ausgestaltet werden, damit sie sich resilient gegen systemische Risiken behaupten können. Das gilt für Strommärkte nicht anders als für Finanzmärkte und für digitale Plattformen. Oft zeigt sich erst unter Stress, wie robust die Märkte sind. Doch Stresstests wie zuletzt in Texas können unerträgliche Kosten verursachen. Kluges Marktdesign versucht, diese zu vermeiden.
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