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Kolumne GeoeconomicsDer Haushalt 2024 ist der Lackmustest für die Zeitenwende in der Bundeswehr

Die Bundesregierung weiß, dass der europäische Anteil in der Nato steigen muss. Gleichzeitig deutet sich an, dass Haushalt und Finanzplan dieses Ziel konterkarieren. Das ist ein strategischer Fehler.Jana Puglierin 09.06.2023 - 11:30 Uhr
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Mit dem Sondervermögen sollen bedeutende Ausrüstungsvorhaben der Bundeswehr gewährleistet und Fähigkeitslücken schnell geschlossen werden.

Foto: dpa

Vor der parlamentarischen Sommerpause möchte die Ampelkoalition noch zwei wichtige Weichen stellen. Der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 und der Finanzplan bis 2027 sollen im Juli beschlossen werden.

Zuvor, am 14. Juni, die lange erwartete Nationale Sicherheitsstrategie. Sie soll der Kompass für die Zeitenwende-Politik der Bundesregierung werden. Beide Dokumente stehen in einem Zusammenhang: Die Nationale Sicherheitsstrategie kann noch so überzeugend sein – wenn sie nicht mit den nötigen finanziellen Mitteln hinterlegt wird, bleibt sie ein Haufen Papier.

In Berlin weiß man, dass der europäische Anteil in der Nato steigen muss – und die deutsche Rolle dabei zentral ist. Der Kanzler hat deutlich gemacht, dass er eine „leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr“ anstrebt, deren Kernauftrag er in der Landes- und Bündnisverteidigung sieht. Man kann erwarten, dass die Sicherheitsstrategie diese Prioritätensetzung widerspiegelt, inklusive eines Bekenntnisses, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben.

Gleichzeitig deutet sich an, dass der Haushalt 2024 und die mittelfristige Finanzplanung diese Ziele konterkarieren. Zwar bleibt das BMVg vom Zwang zu Einsparungen verschont. Es ist aber zu befürchten, dass die von Verteidigungsminister Pistorius geforderte Aufstockung des regulären Verteidigungshaushalts um zehn Milliarden Euro wesentlich geringer ausfällt – oder ganz ausbleibt.

Nun könnte man einwenden, dass von dem 100 Milliarden schweren Sondervermögen noch so gut wie nichts abgeflossen ist und deshalb jede Menge Geld zur Verfügung steht. Allerdings sollen mit dem Sondervermögen bedeutende Ausrüstungsvorhaben der Bundeswehr gewährleistet und Fähigkeitslücken schnell geschlossen werden.

Verteidigungsbudget müsste größer sein

Sein Sinn war es nie, reguläre Beschaffungsmittel zu ersetzen, sondern sie zu verstärken. Viele notwendige Investitionen sind durch das Sondervermögen nicht abgedeckt, sondern müssen über den regulären Verteidigungshaushalt finanziert werden. Dies betrifft Munition ebenso wie Investitionsprojekte, die länger laufen, als das Sondervermögen Geld hat. Dazu gehört zum Beispiel das deutsch-französische Flugsystemprojekt FCAS.

Dr. Jana Puglierin ist Head of Office and Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations (ECFR).

Foto: Handelsblatt

Gemäß der mittelfristigen Finanzplanung ist der Einzelplan 14 allerdings bis 2026 bei ungefähr 50 Milliarden Euro eingefroren. Um tatsächlich zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, müsste das Verteidigungsbudget auf rund 75 Milliarden Euro steigen.

Nachdem die Bundesregierung das Zwei-Prozent-Ziel bereits 2022 nicht erreicht hat und auch 2023 rund 17 Milliarden Euro hinter dieser Zielmarke zurückbleibt, hofft man, mithilfe des Sondervermögens zumindest 2024 und 2025 auf den entsprechenden Betrag zu kommen, bevor die Legislaturperiode zu Ende geht.

Wenn es dabei bliebe, wäre dies die Palliativbehandlung für die Bundeswehr, vor der jüngst der Inspekteur der Marine warnte. Denn ohne eine signifikante Erhöhung des regulären Haushalts 2024 und danach sieht es nach Verausgabung des Sondervermögens düster aus: Alle Kostensteigerungen, die sich aus den neuen Beschaffungen ergeben (z. B. mehr Wartung, mehr Treibstoff, mehr Munition, steigende Personalkosten), müssten mit einem Haushalt abgedeckt werden, der bereits 2022 nicht ausgereicht hat. Für neue Investitionen bliebe nichts übrig.

Alle durch das Sondervermögen getätigten Investitionen wären nicht nachhaltig und der deutsche Beitrag zur militärischen Verteidigung Europas würde wieder weit unter die Zwei-Prozent-Marke sacken. Die Folgen für die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr, aber eben auch der Nato und der EU wären fatal.

Zeitenwende erfolgreich umsetzen

Boris Pistorius hat gezeigt, dass er die Reform des dysfunktionalen Beschaffungswesens entschieden angeht. Doch ohne die Planungssicherheit, das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und den deutschen Beitrag zu den Nato-Fähigkeitszielen mittelfristig vollständig aus dem regulären Haushalt stemmen zu können, kann er die Zeitenwende nicht erfolgreich umsetzen.

Boris Pistorius hat gezeigt, dass er die Reform des dysfunktionalen Beschaffungswesens entschieden angeht.

Foto: dpa

Die Bundesregierung hat sich dazu im Gesetz zum Sondervermögen verpflichtet. Kann sich Deutschland das leisten? Historisch betrachtet: Ja! Läge der Verteidigungshaushalt heute bei 75 Milliarden Euro, wären dies rund 16 Prozent des Gesamthaushalts.

>> Lesen Sie hier: Pistorius wirbt für U-Boot-Milliardendeal in Indien

Verwandte Themen Bundeswehr Boris Pistorius NATO Deutschland Europäische Union Bundestagswahl

Das ist deutlich weniger, als allein West-Deutschland in den 80er-Jahren Verteidigung wert war. Damals nämlich durchschnittlich 18,5 Prozent. Sollte die Ampelkoalition eine erfolgreiche Zeitenwende im Haushalt 2024 – immerhin der letzte reguläre Haushalt vor der Bundestagswahl 2025 – nicht priorisieren, wäre der Schaden für Europas Sicherheit beträchtlich.

Dr. Jana Puglierin ist Head of Office and Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations (ECFR).

Mehr: Granaten oder Worthülsen? Das zweifelhafte Munitionsversprechen der EU

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