Kolumne „Out of the box“: Warum die meisten Übernahmen scheitern

Wenn nichts mehr hilft, hilft eine Übernahme. Sie ist ein gern verschriebenes Rezept, um auf dem Börsenparkett stark und vital zu erscheinen. Was in Wachstumsmärkten wie eine Dopingspritze wirkt, gleicht in kränkelnden Branchen eher einem Aderlass. Schwächelnde Unternehmen suchen ihr Heil in der Zahlenkosmetik und bürden sich zusätzliche finanzielle und organisatorische Lasten auf.
Doch anders als in der Mathematik ergibt in der Wirtschaft Minus mal Minus nur selten ein Plus. Die Organisationen beschäftigen sich monatelang nur noch mit sich selbst. Was in Exceltabellen vielversprechend scheint, rechnet sich in Wirklichkeit nur selten. Die Nebenkosten werden nicht einkalkuliert. Marken- und Vertrauenskapital, Erfahrungsschatz und Ideenreichtum sowie der Goodwill von Mitarbeitenden, Kunden und Gesellschaft geraten oft unter die Räder.
Die schwächelnde Werbebranche ist da ein aktuelles und plakatives Beispiel. Omnicom übernimmt Interpublic für dreizehn Milliarden Dollar. Die Nummer zwei kauft die Nummer vier und wird zur neuen Nummer eins. Nun geht es ans Aufräumen, was in Wahrheit ein Abräumen ist. Die Agenturmarke DDB, 2025 in Cannes zum „Network of the Year“ gekürt, wird dabei auf den Friedhof der Geschichte getragen, neben alten Bekannten wie Young & Rubicam, Springer & Jacoby, J Walther Thomsen beigesetzt und löst sich in nichts auf.
Abertausende von Mitarbeitenden werden über Nacht entlassen, Standorte geschlossen und Büros zusammengelegt. Wir kennen das. Zuerst müssen die Kosten runter, damit später der Wert wieder steigen kann – auch in der Werbebranche. Die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken ist immer ratsam, aber eine Zukunftsformel ist das nicht. Meist verlängert es nur das Leiden und die Verluste.
Marc Zuckerberg hat mit Meta seinen Angriff auf die Kreativindustrie gestartet, zu der auch die Mediaagenturen gehören, die 160 Milliarden Dollar jährlich auf Zuckerbergs Konten überweisen. KI kann alles und kostet nichts. Kreativität gibt es hier kostenlos zum Mediabudget dazu. „Buy one get two“ war schon immer ein Verkaufsschlager.
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Unternehmen verlieren mit einer Übernahme meist ihre Seele und Identität. Die Beratungs-, Anwalts- und Finanzbranche liefert da viele Geschichten. 1796 gründete Georg Hauck seine Bank, die mittlerweile mit Aufhäuser und später mit Lampe zur HAL (Hauck & Aufhäuser Lampe) wurde – bevor die niederländische Bank ABN Amro nun zuschlug, um die HAL mit der Berenberg Bank zu verschmelzen.
Am Ende bleibt ein Buchstabensalat, der alles mit allem kombiniert, die Identifikation, die Bindung und das innere Vermögen jedoch wie im Säurebad auflöst. Thyssenkrupp und Karstadt-Kaufhof können ein Klagelied davon singen.

Drei von vier Übernahmen sind ein Verlustgeschäft, hat Fortune letztes Jahr berechnet, als sie 40.000 Fälle aus vierzig Jahren genauer unter die Lupe nahm. Die Lernkurve ist eine Flatline.
Der Größte in einem schrumpfenden Markt zu sein, ist weniger wertvoll, als es scheint. Man kann kaum noch was dazugewinnen, aber umso mehr verlieren. „Survival of biggest“ war schon zu Urzeiten keine Überlebensgarantie.
Interessanter ist da schon die Übernahme, um sich technologische Vorsprünge und neue Denkweisen zu sichern. Disneys Zeichentrickfilme schienen immer mehr in die Jahre gekommen, wirkten altbacken und aus der Zeit gefallen. Pixar hatte die Computeranimation für sich entdeckt und perfektioniert. Mit Steve Jobs an der Spitze wurde Toy Story als erster computeranimierter Film in die Kinos gebracht, zum Kassenschlager gemacht und hat gleich zwei Oscars gewonnen.
Pixar dachte, arbeitete und erzählte Filme anders. Das war Disney 7,4 Milliarden Dollar wert und die Rettung. Die Pixar-Kultur belebte auch die Seele von Disney. Keiner hat mehr Oscars in seinem Leben gewonnen als Walt Disney persönlich (26). Mit der neuen Art, zu denken und zu produzieren, hat Pixar für Disney zwölf weitere Oscars auf das Siteboard gebracht.
Amazon hat Whole Foods übernommen: einen stationären Lebensmittelhändler. Nun arbeitet zusammen, was noch nie zusammengehörte. Die digitale Welt, Datenanalyse und Logistik verbindet sich mit der echten Welt, realen Geschäften und dem Handel von Mensch zu Mensch. Eine Erfolgsgeschichte für beide. Amazon bezahlte viel Geld, über 13 Milliarden Dollar – Faktor 27 auf den damaligen Whole-Foods-Gewinn.

Der Lebensmittelhändler bekam mehr Kunden und mehr Möglichkeiten. Amazon bekam einen Qualitätsführer und Türöffner für einen der wichtigsten Märkte der Zukunft. Whole Foods wurde das Qualitätssiegel und eine zentrale Säule für Amazon Fresh, addierte Know-how und sechzehn Milliarden Dollar Umsatz dazu. Es scheint, als wäre die Rechnung aufgegangen.
Die Zukunft gewinnt man nicht mit Rezepten der Vergangenheit. Bei Übernahmen ist es besonders wertvoll, den Blick weit über den Tellerrand und die Exceltabelle hinauszuwerfen. Nicht das Einsparpotenzial, sondern das Innovationspotenzial ist der entscheidende Werttreiber.
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