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Kolumne „Kreative Zerstörung“Milliardäre wollen die perfekten Städte erschaffen – und vergessen etwas

Im Silicon Valley und in Saudi-Arabien planen Groß-Investoren neue Kunststädte, in denen alles funktionieren soll. Sie könnten ihr Geld besser einsetzen, kritisiert Miriam Meckel. 26.09.2023 - 12:10 Uhr Artikel anhören

In dieser Kolumne schreibt Miriam Meckel 14-täglich über Ideen, Innovationen und Interpretationen, die Fortschritt und ein besseres Leben möglich machen.

Foto: Klawe Rzeczy

So ganz zum Feiern war mir nicht zumute, als ich in „Celebration“, Florida, eintraf. Die Stadt mit etwa 10.000 Einwohnern ist ein Vorort von Orlando und liegt damit ganz in der Nähe von Disney World. Das ist kein Zufall. Sie ist ein Kunstprodukt, geplant und erschaffen vom Disney-Konzern in den frühen Neunzigerjahren. 

Und so fühlt es sich an, wenn man durch die Straßen spaziert: Überall trällert Disney-Musik aus kleinen Lautsprechern, die die Straßen säumen. Die Häuserreihen wirken wie aus einer Filmkulisse, und im künstlich angelegten See schwimmt ein echter Alligator – „nicht belästigen“, warnt ein Schild am Rande des Gewässers. Alles ist sehr sauber, fast steril, eine Kunstwelt mit dem Charme der keimfreien Unterhaltungswelt, in der geschlechtslose Tierwesen ihre Lebensprobleme lösen. 

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Walt Disney war nicht der Einzige, der die Idee hatte, aus einem Unternehmenserfolg heraus die städtische Lebenswelt der Menschen neu zu definieren. 1956 begann die brasilianische Regierung mit dem Bau der komplett neu entworfenen Hauptstadt Brasilia. 

Seit 2017 plant der saudische Kronprinz eine Kunststadt namens „Neom“ in der saudischen Wüste. Viele dieser Projekte zeugen von einer Mischung aus Größenwahn, Kontrollzwang und fehlgeleitetem Unternehmergeist. So als könne man das soziale Leben mal eben in eine Kunstform pressen, in der alles besser funktioniert als in gewachsenen Strukturen. 

Oder wie es der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier einst formulierte: „Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen.“ Packt man viele Häuser zusammen, hat man eine Stadt, einen Maschinenpark, in dem Menschen wohnen und leben sollen. 

Auch Flannery Associates plant Kunststadt

Und so ist es nicht überraschend, dass die Idee der Techno-Kunststädte neu in Schwung gerät, dieses Mal aus dem Silicon Valley. Eine geheimnisvolle Firma namens „Flannery Associates“ hat für fast eine Milliarde Dollar große Flächen in der Bucht von San Francisco zusammengekauft, um dort eine neue Kunststadt zu errichten. 

Als Investoren kann das Unternehmen einige große Namen aus dem Valley aufrufen: Reid Hoffman, den Co-Gründer von LinkedIn, Marc Andreessen und Chris Dixon von der Venture-Capital-Firma Andreessen Horowitz, Patrick und John Collison, die Geschwister und Gründer der Bezahlfirma Stripe, und Laurene Powell Jobs, Unternehmerin und Witwe des Apple-Gründers Steve Jobs.  

Die Idee hinter dem Projekt ist simpel: Wenn wir alles neu aufbauen, wird alles besser funktionieren. Google-Co-Gründer Larry Page beschrieb 2015 mit anderen Unternehmern, man müsse eine Stadt nur nach den Prinzipien des Internets aufbauen, also technologische Vernetzung ermöglichen, der Rest folge dann schon. Nach dem Motto: Unsere heutigen Städte funktionieren wie Wählscheibentelefone. Warum ihnen nicht ein technisches Update verpassen und alles in die Moderne katapultieren?  

Städte sind keine Telefone

Nur, Städte sind keine Telefone. Sie sind komplexe Gebilde. Sicher lassen sie sich besser gestalten, als das mancherorts gerade gelingt. Aber der Ausgleich zwischen den vielen verschiedenen Interessenlagen, zwischen Gewachsenem und Gewünschtem ist eine riesige Herausforderung. Der Kampf gegen die Obdachlosigkeit, die Modernisierung eines städtischen Verkehrssystems, soziale Gefälle zwischen Stadtvierteln, all das braucht mehr als ein Software-Udate.  

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Aber darum geht es den Unternehmern auch nicht. Schaut man genauer hin, entpuppen sich die Stadtplanungsideen als sektiererischer Ansatz für ein elitäres ungestörtes Leben jenseits sozialer Verpflichtungen. 

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Peter Thiels „Seasteaders“, Städte, die auf dem Wasser schwimmen, Jeff Bezos „O’Neill Colonies“, schwebende Städte im All, oder Elon Musks Marskolonien haben keine Vorstellung davon, was es braucht, um ein soziales Leben verschiedener Schichten, Herkunfts- und Einkommensgruppen an einem Ort möglich zu machen. Weil das auch gar nicht Teil des Plans ist. 

Wie schade, dass all diese Erfinder, Unternehmer und Erneuerer es sich so leicht machen wollen. Einfach irgendwo alles neu aufzusetzen, das wird so nicht funktionieren. Es ist nur die Schmalspurvariante des geistigen und unternehmerischen Aufwands, den man betreiben muss, um wirklich etwas zu verändern. Sie haben das Geld, und sie haben die Technologie, um die realen Städte der Gegenwart lebenswert zu machen. Machten sie sich hier an die Arbeit, das wäre mal ein Grund zum Feiern. 

Mehr: Ein Smartphone als nationales Symbol.

Miriam Meckel
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