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RESET – die Kolumne zum Wochenende Wie Corona die Welt der Geschäftsreisen verändern wird

Thomas Tuma war bislang Lufthansa-Vielflieger. Die alten Privilegien sind ebenso verschwunden wie die eng getakteten Flugpläne. Zeit für eine Neuorientierung.
26.02.2021 - 06:33 Uhr 1 Kommentar
Die Welt war damals beruhigend parzelliert in Geschäftsreisende und Urlauber, meint Thomas Tuma. Quelle: dpa-Bildfunk
Flughafen

Die Welt war damals beruhigend parzelliert in Geschäftsreisende und Urlauber, meint Thomas Tuma.

(Foto: dpa-Bildfunk)

So wie es die Anonymen Alkoholiker gibt, wird es als Selbsthilfe-Organisation bald auch die Anonymen Vielflieger geben. Beide sind letztlich um Anerkennung und Resozialisierung kämpfende Randgruppen, die sich immerhin bereits der Tatsache gestellt haben, irgendwann im Leben falsch abgebogen zu sein. Zumindest was die Vielflieger angeht, gehöre ich voll zur Zielgruppe.

Ich sehe mich demnächst schon abends im Saal meiner Kirchengemeinde auf einem harten Kinderstuhl sitzen, wo ich bekennen werde: „Ja, hallo, also ich bin der Thomas, und ich hatte mal Senator-Status. Bis Corona kam.“ Dabei schaue ich in die freundlich-erwartungsvollen Augen anderer Ex-Jetsetter, die mich in ihren leicht zerknautschten Zegna-Anzügen anlächeln werden. So in der Art: „Super, Thomas, dass du für diesen Schritt bereit bist.“

Dazu gibt es sicher ein Gläschen Ingwertee oder ein stilles Wasser aus dem Original-Eurowings-Tetrapak. Und beim dritten Therapie-Treffen müssen wir Neuankömmlinge vor den anderen unsere Vielflieger-Karte zerschneiden.

Das Plastik-Ding ist jetzt auch schon egal, weil es ja gar keine Flüge oder zumindest Business-Notwendigkeiten mehr gibt, mit denen man sich den alten Status noch erfliegen könnte. Und um Status ging es dabei natürlich immer auch neben dem Glauben, fliegend die globalisierte Welt voranbringen zu können. Nicht nur, wenn man wie ich mit seinem sorgfältig für zwei Tage gepackten Rimowa-Köfferchen in der „Fast Lane“ an den Sicherheitsschleusen am üblichen Touristen-Mob vorbeihastete.

„Wie, dat muss isch jetzt alles wegschmeißöön?“, empörten sich am Nachbarschalter gern mal Frauen in rosafarbenen Hello-Kitty-Leggins-Fälschungen, die man in ihrer Klischeehaftigkeit nicht mal RTL II abnehmen würde. Aber sie existieren wirklich. Sie wedeln dann gern vorwurfsvoll mit einem Müllsack voller Sprays und Creme-Tuben und halten den Betrieb auf. Früher jedenfalls.

Zwischen Starbucks und Ikea-Restaurant

Die Welt war damals beruhigend parzelliert in Geschäftsreisende und Urlauber. In Wissende und … nun ja … die anderen.

Status hieß dabei vor allem, dass man noch für eine Viertelstunde in eine Lounge durfte, in der es gratis Gummibärchen, Kaffee und morgens auch eingetrocknetes Rührei aus Plastikwannen gab. Unter ästhetischen Gesichtspunkten waren diese Salons irgendwas zwischen Starbucks und Ikea-Restaurant.

Für Feinschmecker blieben sie weitgehend eine Katastrophe. Aber beklagt hat sich niemand, weil der Zutritt eben zugleich Ausweis einer ganz besonderen Club-Zugehörigkeit war. Mit Corona verloren Idee und Ideal des Vielfliegens endgültig jeden Charme.

Ich weiß, wovon ich spreche, denn neulich wurde ich rückfällig: Nachdem ich im Flughafen an den düsteren Kurzarbeits-Mienen der Security vorbei war, die verrammelten Geschäfte und verwaisten Wartehallen hinter mir gelassen und die Hände zum dritten Mal desinfiziert hatte, durfte ich schließlich in meine alte Lounge. Es war dort so gemütlich wie in einem stillgelegten Atomreaktor.

Man saß in einer Dystopie und starrte aufs leere Rollfeld. Zu trinken oder zu essen gab es gar nichts. Weit voneinander entfernt saßen die letzten aufrechten Vielflieger und schnorchelten unter FFP-2-Masken in ihre Handys. Gestrandete Schiffbrüchige in einem perfekten Sturm.

Erst beim Abschied wurde mir ein labbriges Sandwich in die Hand gedrückt. Das also, dachte ich, ist die Zukunft des Fliegens? Dann konnte ich’s auch gleich bleiben lassen.

Nachhaltigkeits-Bonuspunkte für das Töchter-Konto

Trotzdem gibt es offenbar etliche Verzweifelte, die immer noch versuchen, irgendwie ihren alten Karten-Status zu retten. Im Handelsblatt las ich jüngst, dass Airlines ihren Top-Kunden deshalb einfach die Vielflieger-Karten um ein oder gleich zwei Jahre verlängern. Bis halt irgendeine neue Normalität eingetreten ist.

Die Lufthansa hat mir auch gerade eine neue Karte geschickt – um ein Jahr verlängert. „Aus Kulanz“, wie mir ein gewisser Joost Greve („Head of Loyalty“) und „Chief Commercial Officer“ Stefan Kreuzpaintner mitteilten. Als ob es darum noch ginge!

„Flugscham“ ist ein Begriff, der schon vor Corona existierte und seit vergangenem Jahr auch im Duden auftaucht. Er umschreibt das wachsende Bewusstsein der Reisenden für die Klimaschädlichkeit des Luftverkehrs an sich.

Dieser Standpunkt ist mir bis heute weitgehend fremd. Er bietet mir aber doch eine gute Möglichkeit, bei der Generation meiner Töchter quasi Nachhaltigkeits-Bonuspunkte zu sammeln. Greta Thunberg kann es egal sein, ob ich aus Überzeugung oder schierem Pragmatismus vom Vielfliegen abkomme.

Wobei, es ist nicht einmal Pragmatismus, sondern schiere Ratio, was uns – nunmehr flugunfähigen – Führungskräften als Entscheidungsgrundlage ja ohnehin besser steht. In vielen Fällen haben sich die Videokonferenzen als Ersatz bewährt. Sie sind billiger und außerordentlich zeitsparend. Muss man einfach mal so sagen.

Zudem gehörte ich nie zu jenen, die es an sich attraktiv finden, viele Tausend Meter über dem Boden bei hoher Geschwindigkeit in einer sargähnlichen Röhre mit hundert anderen Geschäftsreisenden zusammengepfercht zu werden.

Fragwürdiger Reise-Luxus

Es wird auch künftig sicher noch den einen oder anderen Geschäftstermin geben, der Flugreisen nötig macht, die eine oder andere zu Recht reanimierte Messe oder Großveranstaltung … das ist auch alles wichtig. Aber der fragwürdigere Reise-Luxus war ja doch eher der Business-Flug von Düsseldorf nach Hamburg als der Billig-Urlaubstrip nach Marrakesch.

Die Leute lernen in ihren Ferien ja auch fremde Kulturen kennen. Menschen wollen mit Menschen reden. Wie wichtig das ist, merken wir doch alle gerade. Deshalb glaube ich, dass es bald wieder mehr Flüge geben wird und Massentourismus sowie volle Strände rund um Antalya. Aber eben nicht, weil der Weg das Ziel ist und das Ziel sogenannte Statusmeilen.

Das Sammeln von Rabattpunkten sollte künftig etwas für den Supermarkt bleiben. Dort hat es eher einen Sinn. Das alles werde ich im Stuhlkreis meiner Selbsthilfegruppe der Anonymen Vielflieger erzählen. Und wenn mich jetzt nicht bald jemand dazu einlädt, gründe ich selbst eine. Und dann noch eine. Muss ja skalieren, gell?

Dann Youtube-Tutorials. Ein Buch-Ratgeber wie „Fluch Verkehr – in 33 Schritten vom Jetsetter zum Weltretter“. Schließlich Schulungs-Dependancen in Berlin, München, Frankfurt, Düsseldorf. Volle Mehrzweckhallen. Flug-Entzug als Geschäftsmodell.

Dann kommt das Ausland dran. Franchise im großen Stil. Ich glaube, ich müsste dann auch mal in Mailand oder Madrid nach dem Rechten sehen. Vielleicht ist an meinem Senator-Status noch was zu retten, Herr Kreuzpaintner?

Keine Angst. War nur Spaß! Obwohl: Zumindest diesen Business-Case könnte man zum Fliegen bringen.

Sie sehen das anders – oder haben Anmerkungen, Fragen, vielleicht ein Thema, um das sich diese Kolumne auch einmal kümmern sollte. Diskutieren Sie unten mit unserem Autor Thomas Tuma, oder wenden Sie sich vertrauensvoll direkt an ihn: [email protected]

Mehr: Warum das Homeoffice nicht nur die Weltwirtschaft bedroht – ein Hilferuf.

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1 Kommentar zu "RESET – die Kolumne zum Wochenende: Wie Corona die Welt der Geschäftsreisen verändern wird"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • nett beschrieben, 1st world problems in the end...aber ja, ich denke auch dass wir nach Corona einen immensen Umbruch bei Geschäftsreisen erleben werden. Mal sehen wie sehr man es vermissen wird, post Corona.

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