Geoeconomics: Taiwanesen fürchten, dass Trump sie so fallen lässt wie Europa

„Unbroken“ steht auf dem gelben Solidaritätsarmband mit blauer Schrift. Ein Geschenk des Bürgermeisters von Lwiw an meinen Gesprächspartner im taiwanischen Außenministerium. Eine ukrainische Fahne hängt an der Wand. Später finde ich sie im Knopfloch eines taiwanischen Aktivisten, der sich gegen chinesische Desinformationskampagnen im Internet einsetzt.
Knapp 8000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Taipeh und Kiew – doch bei allen Hintergrundgesprächen, die ich während meiner einwöchigen Recherchereise in Taiwans Hauptstadt führe, ist das Schicksal der Ukraine allgegenwärtig. Jeder, mit dem ich spreche, ist davon überzeugt, dass beide Schauplätze eng miteinander verbunden sind.
Mit Sorge beobachtet man in Taipeh die zunehmende militärische Zusammenarbeit zwischen China und Russland. Man befürchtet, dass Peking Russlands Lehren aus dem Ukrainekrieg nutzen könnte, um künftige Aktionen gegen Taiwan zu planen.
Vor allem aber – so die allgemeine Wahrnehmung – profitiert China derzeit von den enormen Zweifeln an der Verlässlichkeit der USA, die durch das Vorgehen der Trump-Regierung in Bezug auf die Ukraine entstanden sind.
Die Szenen aus dem Weißen Haus, als US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor laufender Kamera demütigte, haben in Taiwan für große Verunsicherung gesorgt. Auch wenn es das offizielle Narrativ der Trump-Regierung ist, dass die Unterstützung der Ukraine auf Kosten des amerikanischen Engagements im Indopazifik gehe und deshalb so schnell wie möglich beendet werden müsse, beruhigt das hier niemanden wirklich.
Stattdessen fragen sich die Taiwanesen, ob das Trump’sche Playbook im Indopazifik wirklich so anders ist als in Europa – oder ob sie vielleicht die Nächsten sind, die fallen gelassen werden. Diese Besorgnis wird durch Trumps Äußerungen verstärkt, dass Taiwan den USA „das Chipgeschäft weggenommen“ habe oder dass Taiwan für den Schutz, den die USA dem Land bieten, „bezahlen“ müsse.
Trumps Politik spielt China in die Hände
„In Peking müssen sie in letzter Zeit viel gefeiert haben“, schlussfolgert eine Wissenschaftlerin aus Taiwan. Gemeint ist, dass Trumps Politik China in mehrfacher Hinsicht in die Hände spielt. Zum einen weil seine oben genannten Äußerungen in der taiwanischen Gesellschaft Zweifel an der Verlässlichkeit der amerikanischen Sicherheitspartnerschaft nähren, was sich direkt auf die Resilienz des Landes auswirkt.
Zum anderen weil von den zahlreichen Kürzungen der US-Auslandshilfe durch die Trump-Regierung auch viele taiwanische Organisationen betroffen sind, insbesondere solche, die sich der Demokratieförderung verschrieben haben. Viele können sich daher des Eindrucks nicht erwehren, dass Taiwan mit Trumps Amtsantritt nicht nur den wichtigsten Wertepartner und mächtigsten Verbündeten im internationalen Systemwettbewerb verloren hat. Sondern dass Trumps Politik Autokratien wie Russland und China aktiv unterstützt.
Dennoch ist man sich in Taiwan einig: Ohne die USA geht es nicht. Die Sicherheit des Landes hängt am Tropf der amerikanischen Unterstützung. Deshalb wird hier alles getan, um die Trump-Administration zu versöhnen.
„Trump goes from a value-driven policy to a worth-driven policy“, sagt ein taiwanischer Analyst. Daher müsse Taiwan nun seinen Wert für die USA unter Beweis stellen. Übersetzt heißt das zum einen, die Verteidigungsausgaben von derzeit 2,45 Prozent auf über 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, vor allem durch Investitionen in amerikanische Waffensysteme.
Halbleiterriese TSMC baut Produktion in USA aus
Zum anderen baut der taiwanische Halbleiterriese TSMC die Produktion moderner Chips in den USA aus und investiert dafür 100 Milliarden US-Dollar. Befürchtungen, dass Taiwan damit seinen „Silicon Shield“ schwächen könnte, versuchen taiwanische Experten mit dem Hinweis zu zerstreuen, dass die in Taiwan ansässige Halbleiterproduktion auf absehbare Zeit dominieren werde.
Am Ende meiner Reise steht für mich vor allem die Erkenntnis, dass ein verstärkter Austausch zwischen der EU und Taiwan unter Berücksichtigung der Ein-China-Politik in beiderseitigem Interesse liegt. Ganz konkret könnte es dabei um das Thema Resilienz gehen.




Taiwan verfügt über wertvolle Erfahrungen im Umgang mit hybriden Bedrohungen, von Sabotageakten an Unterseekabeln über Desinformation bis hin zu Cyber. Bei wichtigen Zukunftstechnologien wie Halbleitern oder unbemannten Flugkörpern arbeitet es mit Hochdruck an China-freien Technologien. Europa könnte davon enorm profitieren.
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