Analyse Die Risiken sind immens – und doch könnte sich Kaesers Entscheidung als richtig erweisen

Die großen, effizienten Kraftwerke von Siemens standen über Jahrzehnte weltweit für deutsche Ingenieurskunst.
Erneut verabschiedet sich Siemens von einem traditionellen Kerngeschäft. Nach dem Niedergang der Telekommunikationssparte, die einst die Wurzeln des Technologiekonzerns bildete, wird Siemens nun auch die Mehrheit an der Energietechnik abgeben.
Die großen, effizienten Kraftwerke des Konzerns standen über Jahrzehnte weltweit für deutsche Ingenieurskunst – und bescherten Siemens lange satte Gewinne.
Doch auch hier verpasste das Münchener Unternehmen einen wichtigen Trend, hin zu kleineren, dezentralen Lösungen. Mit der Abspaltung nimmt Siemens nun ein Schrumpfen in Kauf, etwa 30 Milliarden Euro Umsatz werden künftig nicht mehr konsolidiert. In der Weltrangliste der größten Konzerne wird eines der wenigen deutschen Top-Unternehmen nach unten rutschen.
Und doch könnte sich die Entscheidung für beide Seiten als richtig erweisen: Für den verbliebenen Siemens-Konzern, der sich künftig ganz auf die digitalen Wachstumsfelder konzentrieren kann. Aber auch für die Energiesparte mit dem kriselnden Kraftwerksgeschäft.
Denn im konzerninternen Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Wachstumskapital hatte „Power and Gas“ schlechte Karten. Warum in ein Geschäft mit gerade einmal fünf Prozent Marge investieren, wenn die „Digitale Fabrik“ 20 Prozent verdient?
Siemens hätte das Energiegeschäft noch lange mitschleppen können. Doch dabei hätte die Gefahr bestanden, dass es in Teilen ausblutet und von einem Restrukturierungsprogramm ins nächste gerät.
Auch eine Fusion mit einem Konkurrenten in einem Markt, der eine Konsolidierung benötigt, hätte zu massiven Einschnitten geführt.
Mit der Ausgliederung bekommt das Energiegeschäft nun zumindest eine mögliche Zukunftsperspektive. Über Investitionen und Schwerpunkte kann das Unternehmen künftig selbst entscheiden.
Das breite Portfolio von der Energieerzeugung bis zur Verteilung und von konventionellen Kraftwerken bis zu den Erneuerbaren ist in der Branche einmalig. Und der Energiebedarf in der Welt wird weiter steigen.
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Doch natürlich sind auch die Risiken immens. Das neue Unternehmen muss nach dem Spin-off in einem weiter schwierigen Marktumfeld ohne den Schutz des großen Mutterkonzerns auskommen – oder zumindest mit einem eingeschränkten Schutz.
Schließlich will Siemens Anker-Minderheitsaktionär bleiben. Der Spardruck wird weiter groß bleiben, der Spielraum für Investitionen begrenzt.
Daher ist es umso wichtiger, dass Siemens behutsam und verantwortungsbewusst vorgeht. Das neue Unternehmen muss solide mit Kapital ausgestattet werden und möglichst weiter Synergien mit dem Hauptkonzern nutzen können.
Siemens-Chef Joe Kaeser steht weiter in der Verantwortung. Er hat bei einem Unternehmen, dass mehr als solide da stand, massive Veränderungen eingeleitet. Nun muss er beweisen, dass die Entscheidung für alle Unternehmensteile richtig ist.
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Einer weiterhin wachsende Weltbevölkerung , der Ausbau der künstlichen Intelligenz bis hin zu autonomen elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen wird Strombedarf weltweit steigen lassen. Auch wenn der Anteil der regenerativen Stromerzeugung wachsen wird, werden konventionelle Kraftwerke, die innerhalb weniger Minuten hochgefahren werden können, unverzichtbar sein. Hierzu werden weiterhin Gasturbinen benötigt. Die berechtigte Frage ist wohl, ob die Stromerzeugung in Gaskraftwerken nicht ernergieeffizienter dezentral in zahlreichen kleinen Anlagen erzeugt z. B. in der Nähe von Biogasanlagen erzeugt werden muss. Was die Welt nicht mehr gebrauchen kann, sind riesige Verbrennungskraftwerke, bei denen ein Großteil der Energie im wahrsten Sinne in die Luft geblasen wird.