Corporate Social Responsibility Grün und sozial per Geschäftsordnung

Der peruanische Kleinbauer klagt gegen RWE.
Saul Luciano Lliuya ist ein Kleinbauer aus einem Dorf am Fuße der Anden. Deutschen Vorständen dürfte der Name des Peruaners bislang wenig sagen, doch das wird sich ändern, wenn seine Klage gegen den Stromkonzern RWE erfolgreich ist. Vor dem Oberlandesgericht in Hamm könnte nämlich bald ein Fall verhandelt werden, der auf den ersten Blick kurios erscheint. Lliuya will RWE in die (finanzielle) Verantwortung für die Gletscherschmelze und die daraus resultierenden Gefahren für sein Haus in Peru nehmen. Letztlich geht es um die Frage, ob RWE mit seinen Kohlekraftwerken den Klimawandel mit verschuldet – und dafür von einem Geschädigten zur Rechenschaft gezogen werden kann.
Der Plan des Mannes scheint wenig erfolgversprechend. Trotzdem hat RWE ein hohes Interesse daran, die Frage gerichtlich klären zu lassen. In der Hoffnung, dass dann ein für alle Mal Ruhe ist mit Versuchen, den Konzern für Umweltzerstörung im Allgemeinen und die Folgen von Kraftwerksemissionen im Besonderen zur Verantwortung zu ziehen. Doch da könnten sich die RWE-Manager irren.
Es liegt im Trend, Unternehmen nicht nur an Kapitalrendite, Jahresüberschuss und Umsatz zu messen, sondern auch an ökologischen, gesellschaftlichen und sozialen Taten.
Bislang beschränken sich diese Versuche oft auf aktivistische Aktionärsgruppen, die auf Hauptversammlungen Rabatz machen und die negativen Nebenwirkungen von Pflanzenschutzmitteln bei Bayer oder die Zerstörung des Regenwalds durch Kokos-Snacks von Nestlé anprangern. Meist bleibt es beim Protest, rechtliche oder gar finanzielle Konsequenzen hatten diese Aktionen selten.
Das aber ändert sich gerade. Staatliche Regeln ersetzen zunehmend freiwillige Zusagen der Unternehmen. Verbindliche Gesetzesparagrafen zementieren weiche Kodexempfehlungen. Daraus könnte in den nächsten Jahren ein sehr ernst zu nehmendes Haftungsrisiko erwachsen. Unternehmen würden dann nicht nur von Aktionären verklagt werden, weil sie fehlerhafte Angaben zur wirtschaftlichen Lage gemacht haben. Vor Gericht könnte dann der Einkauf von Rohstoffen stehen, an denen Blut klebt.
Erste Schritte in diese Verrechtlichung sind eingeleitet. Im vergangenen Frühjahr hat die Bundesregierung eine CSR-Richtlinie verabschiedet – CSR steht für Corporate Social Responsibility. Nach dieser müssen alle großen kapitalmarktorientierten Unternehmen ab sofort über ökologische und soziale Belange berichten: Was unternimmt die Firma gegen Korruption und Umweltverschmutzung, was tut sie für die Einhaltung von Menschenrechten und was zum Schutz der Arbeitnehmer?
Schweizer Schokolade und Kindersklaven
Das alles ist nicht justiziabel. Noch nicht. Aber eine Weigerung oder unvollständige Darstellung kann schon mit einem Bußgeld abgestraft werden. Der Staat erzwingt Informationen darüber, wie ein Unternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Ein erster Schritt.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Shareholder interessieren sich sowieso zunehmend dafür, wie ihre Unternehmen mit den Stakeholdern umgehen. Das führt weg vom reinen Finanzkapitalismus, wo nur die Rendite zählt, nicht aber die Frage, auf welchem Wege eine Firma ihren Erfolg erzielt.
Auf die Spitze getrieben mündet das in der provokanten Frage, ob Kindersklaven Schweizer Schokolade herstellen? Mit diesem plakativen Motto ist eine Initiative in der Schweiz angetreten, die sich inzwischen breiter Unterstützung der Eidgenossen erfreut. Das Volksbegehren will von Schweizer Firmen einfordern, die Einhaltung der Menschenrechte und von Umweltstandards über die ganze Wertschöpfungskette im In- und Ausland nachzuweisen. Es wird bis 2019 dauern, bis die Schweizer darüber abstimmen. Aber es wäre nicht das erste Plebiszit in unserem Nachbarland, das Berlin als Vorlage für eigene gesetzgeberische Aktivitäten nehmen würde.
Wäre das schlimm? Inhaltlich gibt es keinen Widerspruch. Aber: Einen Code of Conduct der Vereinten Nationen vom Unternehmensvorstand unterzeichnen zu lassen, ihn dann aber folgenlos zu missachten, kann nicht Sinn der Sache sein. Das Problem ist, dass die Implementierung von Menschenrechten oder Umweltstandards als Generalklausel in der Geschäftsordnung Widersprüche schafft.
Ein Beispiel: Kann RWE auf Klimaschädigung verklagt werden, wenn das Unternehmen zugleich am staatlich verordneten und kontrollierten CO2-Handel teilnimmt? Wohl kaum. Das würde den Emissionshandel ad absurdum führen. Man müsste den Handel einstellen oder Ausnahmen schaffen. Sonderregeln würden wiederum das Ziel konterkarieren, Unternehmen auf ihre Gesamtverantwortung für die Gesellschaft festzunageln. Da kann es ja keine Ausnahme geben. Wie man es dreht und wendet: Die Wirtschaft hat eigentlich nur eine Alternative. Schreibt sie sich Verantwortung nicht selbst in die Geschäftsordnung und handelt danach, dann werden es andere tun.
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