Der Chefökonom – Kommentar: Das verdrängte Problem – Rentenpolitik braucht mehr Realitätsbewusstsein

Deutschlands Bevölkerung altert doppelt: Zum einen sind die Geburtenraten stark gesunken, zum anderen steigt die Lebenserwartung der Individuen weiter an.
Deutschlands Bevölkerung altert seit Langem und in diesem wie dem kommenden Jahrzehnt besonders rasant. Dies ist keine neue Erkenntnis, sondern spätestens seit den 1980er-Jahren bestens bekannt.
Nicht ohne Grund hatte eine informelle große Koalition bereits am 9. November 1989, an dessen Abend höchst unerwartet die Berliner Mauer fiel, mit einer weitreichenden, 1992 in Kraft getretenen Rentenreform darauf reagiert. Dies war der Beginn einer Serie von Reformen, die vorrangig das Ziel hatten, die finanzwirtschaftliche Nachhaltigkeit dieses wichtigsten Alterssicherungssystems zu sichern.
Die Alterung der Bevölkerung ist kein überraschender Schock wie etwa ein Krieg oder eine Pandemie, sondern eine schleichende, aber klar absehbare Entwicklung, die ihre Wucht an Ende dieser Legislaturperiode entfalten wird.
Spätestens im kommenden Jahrzehnt wird ein reales Wachstum der deutschen Volkswirtschaft keine Selbstverständlichkeit mehr sein. Denn das Potenzialwachstum ist rückläufig, zumal in nahezu allen Bereichen Arbeitskräfte fehlen. In der Folge droht ein markanter Wohlfahrtsverlust.
Deutschlands Bevölkerung altert doppelt: Zum einen sind seit dem Ende der 1960er-Jahre die Geburtenraten stark gesunken, zum anderen steigt die Lebenserwartung der Individuen weiter an. Erst in etwa 25 Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre weitgehend verstorben sind, wird sich die Bevölkerungsalterung merklich verlangsamen – aus der „doppelten“ Alterung wird eine „einfache“ werden.





