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Freihandel Wie das Mercosur-Abkommen gerettet werden soll

Ob das Mercosur-Abkommen jemals in Kraft treten wird, ist ungewiss. Dessen Anhänger suchen nun nach Wegen, den Deal zu retten.
25.01.2020 - 13:08 Uhr Kommentieren
Brasiliens Regierung will das Land in den Welthandel integrieren. Quelle: Reuters
Mercosur-Treffen in Brasilien

Brasiliens Regierung will das Land in den Welthandel integrieren.

(Foto: Reuters)

Salvador, Brüssel Sebastian Kurz wählte klare Worte, als er Mitte Januar EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Antrittsbesuch abstattete: „So, wie das Abkommen jetzt ist, wird es nicht kommen“, sagte der österreichische Bundeskanzler.

Vergangene Woche zog der Ministerpräsident der belgischen Region Wallonien nach – seine Regierung sei „voll und ganz“ gegen den Handelsvertrag, betonte Elio di Rupo. Im Bundestag in Berlin mobilisieren die Grünen gegen das Abkommen, und auch im Europaparlament formiert sich breiter Widerstand: In seiner jetzigen Form werde der Vertrag „keine Mehrheit bekommen“, sagt der liberale Abgeordnete Pascal Canfin.

Das im vergangenen Sommer geschlossene Freihandelsabkommen zwischen Europäischer Union und dem südamerikanischen Mercosur-Handelsblock aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay hat inzwischen zahlreiche Kritiker. Ob die Vereinbarung jemals in Kraft treten wird, ist zunehmend ungewiss. Zumal der Deal nicht nur in Europa infrage gestellt wird, sondern auch von der neuen Regierung Argentiniens.

In der Wirtschaft ist die Sorge groß, dass das Abkommen in Öffentlichkeit und Politik unter die Räder gerät wie einst der geplante TTIP-Deal mit den USA. Die Mercosur-Staaten seien wirtschaftlich und geopolitisch ein wichtiger Partner der EU, sagt Eckart von Unger, Vizeabteilungsleiter für Außenwirtschaftspolitik beim BDI. „Wir sollten das Kind daher nicht mit dem Bade ausschütten.“

Gerade die deutsche Industrie würde stark profitieren, wenn Exporte in die Mercosur-Staaten erleichtert würden. Die bislang hohen Einfuhrzölle etwa auf Autos (35 Prozent), Maschinen (14 bis 20 Prozent) oder Chemieprodukte (bis zu 18 Prozent) sollen schrittweise abgeschafft werden, die Unternehmen würden allein dadurch rund vier Milliarden Euro pro Jahr sparen.

Änderungen noch möglich?

Die Befürworter suchen nun nach Wegen, das Abkommen zu retten – auch durch inhaltliche Nachbesserungen. Die EU-Kommission lehnt es bislang zwar ab, den über fast 20 Jahre lang verhandelten Vertrag noch einmal aufzuschnüren. Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, sieht hingegen „noch viel Gestaltungsspielraum“.

Der SPD-Politiker verlangt Nachbesserungen: „Wir müssen sicherstellen, dass Brasilien die Zusagen zum Schutz des Regenwaldes auch wirklich einhält und wir kein Fleisch oder Soja importieren, das auf brandgerodetem Boden angebaut wurde.“ Dafür brauche es stärkere Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen als im Abkommen bislang vorgesehen sind. Dies könne aber auch außerhalb des eigentlichen Vertrages geregelt werden Zusatzvereinbarungen wie beim Ceta-Abkommen mit Kanada könnten ein Weg sein.

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Die EU und Kanada hatten beim Abschluss des Vertrages 2016 wichtige Auslegungsfragen in einer separaten politischen Erklärung festgehalten. Dies könnte zum Muster für das Mercosur-Abkommen werden. Lange sieht auch in der Kommission eine „Bereitschaft, darüber zu diskutieren“. 

Die Brüsseler Behörde will den Vorschlag derzeit aber nicht konkret kommentieren. Man verfolge die Debatten in mehreren Mitgliedstaaten und werde sich im Rahmen des Ratifizierungsprozesses daran beteiligen, sagte ein Sprecher lediglich. Die Kommission beschränkt sich bislang darauf, das Abkommen zu verteidigen – und spielt auf Zeit.

Der umfangreiche Handelsvertrag muss noch rechtlich fein geschliffen und dann in sämtliche EU-Amtssprachen übersetzt werden. Dabei hat es die Behörde nicht allzu eilig: Frühestens Ende 2020, wahrscheinlich eher Mitte 2021 dürfte der Vertrag den Regierungen und danach dem Europaparlament zur Abstimmung vorgelegt werden. Das bietet noch viel Gelegenheit, so das Kalkül, um Kritiker wie die schwarz-grüne Regierung in Österreich umzustimmen.

Die Bedenken der Kritiker richten sich zum einen gegen Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro: Dieser tue zu wenig, um den Amazonas-Regenwald vor Brandrodungen zu schützen, und dürfe dafür nicht noch mit einem besseren Zugang zum europäischen Markt belohnt werden. Brasiliens Regierung verpflichtet sich im Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens zwar dazu, illegale Rodungen zu stoppen. Die Bestimmungen seien aber „nicht einklagbar und somit zahnlos“, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Daran würden auch die von Lange ins Spiel gebrachten Zusatzerklärungen wie bei Ceta nichts ändern, „denn sie sind nicht rechtsverbindlich“.

Kampf der Agrarlobby

Auf dem Spiel stehen aber auch handfeste wirtschaftliche Interessen: Frankreich, Irland und Wallonien befürchten, dass die eigenen Landwirte Einbußen erleiden, wenn südamerikanische Farmer ohne Zölle nach Europa exportieren können. Die Agrarlobby, allen voran die Rinderzüchter, üben massiven Druck auf die Regierungen aus, das Abkommen zu stoppen. Darin hatte die EU eingewilligt, aus den vier Ländern bis zu 99 000 Tonnen Rindfleisch zollfrei einzuführen. Zum Vergleich: Pro Jahr werden in der EU rund acht Millionen Tonnen Rindfleisch verzehrt.

Die Kritik aus Europa lässt wiederum in Südamerika Zweifel aufkommen, ob die EU überhaupt ernsthaft an dem Handelsabkommen interessiert ist. Die Wahl der linken Regierung in Argentinien im Oktober hat die Aussichten für das Abkommen zudem verschlechtert. Zeina Latif, Ökonomin des Finanzdienstleisters XP Investimentos, warnt: „Es wird eine gewaltige Herausforderung, das Abkommen in Südamerika umzusetzen.“

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Argentiniens Außenminister Felipe Solá kündigte bereits an, mit der EU nachverhandeln zu wollen, zum Schutz der heimischen Industrie. In dem Land leben gerade Preis-, Devisen- und Kapitalkontrollen der Jahre 2003 bis 2015 wieder auf. Genau wie damals erhebt die neue Regierung Steuern auf Agrarexporte.

Kritik daran übt auch Nachbar Brasilien: „Das sind nicht die richtigen Signale für ein Land, das sich eigentlich in den Weltmarkt integrieren will“, sagte Staatssekretär Marcos Troyjo. Er warnt: Man werde sich nicht am langsamsten Partner orientieren, sondern notfalls auch ein flexibles Ratifizierungsmodell vorschlagen. Danach könnten die vier Mercosur-Staaten das Abkommen unterschiedlich schnell umsetzen.

Die Regierung Bolsonaro meint es ernst mit der Integration des Landes in den Welthandel, ebenso wie die beiden anderen Partner Uruguay und Paraguay. Der Wirtschaftsflügel der brasilianischen Regierung um den Wirtschafts- und Finanzminister Paulo Guedes sieht das Abkommen mit der EU als Katalysator für Reformen in Brasiliens Volkswirtschaft. Brasilien hofft, seine Ausfuhren nach Europa bis 2035 auf 100 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln zu können. Ohne Freihandel kann das nicht gelingen.

Mehr: Brasilien, Kernland des Mercosur-Blocks, rodet den Amazonas und verletzt Menschenrechte. Die Grünen werfen der Regierung Versagen in der Handelspolitik vor.

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